China „feiert“ Unterdrückung

XINJIANG Zum 4. Jahrestag des Aufstands von Urumqi spitzt sich der Konflikt zwischen Peking und der uigurischen Minderheit zu. Chinas Führung setzt auf Repression

Chinas Staatsmedien sehen „Terroristen mit Verbindung nach Syrien“ am Werk

AUS SCHANGHAI FELIX LEE

In Chinas Nordwest-Region Xinjiang sind lange Messer derzeit verboten. Wer uigurisch aussieht und sein Smartphone viel nutzt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit von Polizisten angesprochen. Seit Tagen fahren Panzer und Fahrzeuge der Militärpolizei die Straßen von Urumqi ab, der Hauptstadt der autonomen Region Xinjiang. Das durch seine besonders nationalistischen Töne bekannte KP-Blatt Global Times in Peking bezeichnete das martialische Auftreten zynisch als „Feierlichkeiten (…), um den Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen“.

Rund um den 5. Juli, der Jahrestag des Aufstands von Urumqi 2009, sind die chinesischen Sicherheitskräfte in der gesamten Provinz Xinjiang in höchster Alarmbereitschaft. An Kreuzungen und Zufahrtsstraßen stehen bewaffnete Einheiten. Sie haben den Auftrag, die geringsten Anzeichen von Protest im Keim zu ersticken.

Bei den blutigen Unruhen 2009 kam es zu mehrtägigen Straßenschlachten mit fast 200 Toten. Die meisten waren Han-Chinesen. Die muslimische Minderheit der Uiguren fühlt sich seit Jahrzehnten von den Chinesen politisch, religiös und kulturell unterdrückt.

Das diesjährige martialische Auftreten rechtfertigt Chinas Führung mit mindestens zwei gewalttätigen Ausschreitungen in der vergangenen Woche. In der Nähe der Wüstenstadt Turpan hatte am 27. Juni eine angeblich wütende Menschenmenge Regierungsgebäude angegriffen. Chinesische Polizisten eröffneten das Feuer. Es soll mindestens 24 Tote gegeben haben.

In der südlich von Urumqi gelegenen Präfektur Hotan sollen vergangenen Freitag chinesischen Staatsmedien zufolge 100 Uiguren eine Polizeistation angegriffen haben. Der US-Sender Radio Free Asia hingegen berichtet von einer Polizeirazzia in einer Moschee im Anschluss an das Freitagsgebet. Der dortige Imam soll angeblich nicht die Predigt gehalten haben, die ihm die Behörden vorgegeben hatten. Als anwesende Gläubige sich wehren wollten, hätten Polizisten das Feuer eröffnet. Es habe mindestens zwei Tote gegeben.

Für beide Ausschreitungen machen Chinas Behörden „muslimische Extremisten“ verantwortlich. Konkret fahnden sie derzeit nach 17 Personen. Einen mutmaßlichen Rädelsführer haben sie nach eigenen Angaben schon festgenommen. Auf weitere Hinweise hat die Polizei eine Belohnung von umgerechnet 12.500 Euro ausgesetzt.

Ob die Ausschreitungen in Hotan und Turpan aufgrund der verschärften Sicherheitsmaßnahmen ausbrachen oder tatsächlich „Unruhestifter“ gezielt provozierten, wie chinesische Staatsmedien behaupten, ist unklar. Westlichen Journalisten ist seit Tagen die Reise in beide Regionen untersagt. Chinesische Staatsmedien behaupten sogar, „Terroristen mit Verbindung nach Syrien“ seien am Werk.

Ein Sprecher des Weltkongresses der Uiguren, der Exilorganisation mit Sitz in München, hält solche Erklärungen schon deswegen für absurd, weil Uiguren in der Volksrepublik nur selten überhaupt einen Reisepass ausgehändigt bekommen. „Wie sollen sie dann nach Syrien gelangen?“, fragt er.