: Das Verdienst des Videos
TOD IM NEPTUNBRUNNEN
Ein mit einem Messer bewaffneter nackter Mann stirbt im Neptunbrunnen durch eine Patrone aus einer Polizeipistole – und Hunderttausende sehen zu. Nicht live, sondern später, zu Hause vor dem Bildschirm.
Der Vorfall ereignete sich am Freitag vor einer Woche– seither tobt eine Debatte im Netz und in der Öffentlichkeit. Ein Passant hat die Szene gefilmt und das Video ins Internet gestellt; es wurde unzählige Male angeklickt und kommentiert. Die Mehrheit ist empört und findet, der Beamte hätte anders reagieren können und müssen. Zum Bespiel, indem er den mit einem Messer bewaffneten Angreifer wehrlos schießt, statt ihn zu töten.
Auch extreme Ansichten sind darunter: Der Polizist habe die Situation ausgenutzt, um einen armen Irren abzuknallen, lautet eine, von einer Hinrichtung wird geschrieben. Ein Bedächtiger vergleicht die Aufregung der Kommentatoren mit Reaktionen auf YouTube-Videos von Fußballspielen: „Jeder hat schnell eine Meinung, aber kaum einer Ahnung von der Praxis.“ Die große Resonanz zeigt indes: Die Menschen sind nicht bereit, die Dinge einfach so auf sich beruhen zu lassen.
Ein Mann hat sogar geschrieben, dass er die Situation im Neptunbrunnen nachgespielt hat. Er kommt zu dem Schluss: Der Polizist hätte durchaus rückwärts vor dem Angreifer über den Brunnenrand flüchten können. Dann wäre der Beamte zwar gestürzt, aber der 31-Jährige würde noch leben.
Was das juristische Nachspiel betrifft, so macht das Video die Ermittlungen auf jeden Fall einfacher. Die Staatsanwaltschaft kann sich selbst ein Bild machen, statt auf Aussagen von Polizisten angewiesen zu sein, die im Zweifel sowieso nichts gesehen haben, weil man dem eigenen Kollegen nicht in den Rücken fällt. Das ist das eigentliche Verdienst des Videos. PLUTONIA PLARRE