: Leservorwurf
Zehn Minuten taz gelesen
Sehr geehrte Damen und Herren, danke, dass ich heute nur zehn Minuten für das Lesen der taz brauchte. Mit anderen Worten: Ich finde es eine Unverschämtheit, solch eine auf ein Thema zentrierte Ausgabe für alle Leser zu verschicken und andere tagespolitische Themen fast vollständig auszuklammern. Eine Beilage wäre okay. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Sich für die Rechte von Schwulen und Lesben einzusetzen, finde ich gut. Aber die anderen Themen zu vernachlässigen, nicht. Mit ziemlich viel Wut im Bauch
BERNHARD HERTING, Köln
Die taz antwortet
Es gab die anderen Themen
Lieber Bernhard Herting, Ihr Brief hat uns bewegt – sowohl als auch. Zunächst sei Ihnen Respekt gezollt, dass in Zeiten grassierend politischer Korrektheit Ihre Zeilen vor allem verraten: kein besonderes Interesse an den Reflexionen von queeren Menschen zu haben. Was aber sehr viele andere taz-LeserInnen uns schrieben, war lobend, dass die taz Neugierde über die Perspektive von Diskriminierungen hinaus stille – etwa von Homosexuellen.
Sie selbst schreiben, „eine Beilage wäre okay“ gewesen – „aber die anderen Themen zu vernachlässigen, nicht“. Nun: Die taz am 4. Juli enthielt diese „anderen Themen“ – haben wir womöglich zu gering auf diese Seiten verwiesen?
Dass Sie hinten(!) erst zu lesen waren – nicht die Homotaz überwölbend, also gering haltend, gleich vorne im Blatt? Wir als queer folks in der taz fragten uns obendrein: Hätten Sie ähnliche Zeilen an Ihre Zeitung, die sich einst gründete für unterdrückte, beschwiegene Nachrichten, formulieren wollen, wäre es um eine Ausgabe von Migranten, Muslimen oder Juden gegangen?
JAN FEDDERSEN, taz-Redakteur für besondere Ausgaben