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Archiv-Artikel

Couch-Tisch im Klassenzimmer

CEBIT Microsoft hat ein so genanntes digitales Klassenzimmer entwickelt. Neue Monitortische ermöglichen Kindern neue Formen der Gruppenarbeit. Auch für die Bildung Erwachsener sind die Lerntische gut geeignet

Die Schüler finden es praktisch. Man braucht keinen Stift und klickt einfach die Arbeitsfelder an

VON LUKAS SANDER

Schüler, Eltern und Lehrer wollen, dass der Umgang mit Computern und dem Internet auf den Stundenplan deutscher Schulen kommt. Das zeigen Studien. Unter anderem hat Microsoft mehr als 1.500 Schüler befragt. „Einige haben auch gesagt, sie brauchen einen PC, der die Hausaufgaben macht“, scherzt Achim Berg, Deutschland-Chef des Softwarekonzerns, als er die gesammelte Wunschliste Kanzlerin Angela Merkel übergibt.

Microsoft setzt bei der diesjährigen Cebit einen Schwerpunkt auf Bildung. So stellt das Unternehmen unter anderem auf 150 Quadratmetern ein digitales Klassenzimmer aus. Entwickler Thomas Schmidt möchte, dass endlich Schluss damit ist, dass Schulen ihre Informatikräume im Keller verstecken: „Wir wollen zeigen, wie Lehrerinnen und Lehrer in eine ganz normale Unterrichtsstunde Medien hineinholen können.“

Im digitalen Klassenzimmer gibt es eine interaktive Tafel. „Man kann Videos darauf anschauen und Schülerergebnisse sofort vom Laptop eines Schülers auf die Tafel bringen“, sagt Schmidt.

Es sei auch denkbar, Experten aus aller Welt per Videokonferenz hinzuzuschalten. Bei der Cebit haben das auch Angela Merkel und Spaniens Regierungschef José Luís Zapatero ausprobiert. Gemeinsam mit deutschen Schülern konferierten sie übers Internet mit Kindern in Spanien.

Die Schüler sitzen nicht an gewöhnlichen Pulten. Die Arbeitsplätze erinnern an Couch-Tische. Die Tischplatten sind nicht aus Holz, sondern überdimensionale Monitore, die auf Berührungen reagieren. Die Kinder sitzen in Gruppen um diese Arbeitsplätze herum und lernen gemeinsam. „Das ist sehr praktisch“, sagt die elfjährige Lina. Man brauche keinen Stift mehr, sondern könne einfach klicken und Arbeitsfenster auf der Oberfläche aufziehen. Hilfreich findet die Schülerin auch, dass der Arbeitsplatz mit dem Internet verbunden ist.

Auch Lehrerin Annette Blottner hat sich das digitale Klassenzimmer angesehen. Gut findet sie, dass die Kinder hier im Team arbeiten. Vieles sei für den Unterricht wünschenswert. „Obwohl der Unterricht nicht allein auf solchen Dingen basieren kann.“ Das normale Buch – mit Seiten aus Papier – ist für Annette Blottner nach wie vor unentbehrlich. Kinder sollten auch weiter lernen, ein herkömmliches Lexikon zu benutzen, findet die Lehrerin.

Fraglich ist für sie auch, ob sich Schulen in Zeiten knapper Kassen solch ein digitales Klassenzimmer überhaupt leisten können. Rund 10.000 Euro kostet einer der interaktiven Lerntische, räumt Microsoft ein. Vielleicht ignorierte Bundeskanzlerin Merkel bei ihrem Besuch im digitalen Klassenzimmer deshalb die Frage eines Journalisten, wann diese Technologie denn flächendeckend in deutschen Schulen eingesetzt wird.

Unstrittig aber ist: die Informationsgesellschaft ist nicht mehr ohne Computer und Internet denkbar. Im Jahr 2014 wird laut einer Studie des IT-Marktbeobachters IDC in neun von zehn Jobs Computerwissen gefragt sein. Derzeit arbeiten aber noch zwei Drittel der deutschen Schüler im Unterricht kaum mit digitalen Medien, so eine Forsa-Studie.

Auch jeder zweite Auszubildende verfügt nicht über ausreichende IT-Kenntnisse, wie TNS-Infratest ermittelt hat. „Deshalb setzen wir auch für Auszubildende und Berufseinsteiger Projekte um“, sagt Microsoft-Sprecherin Astrid Aupperle. PC-Wissen müsse in der beruflichen Weiterbildung kontinuierlich vermittelt werden. Auch in der Erwachsenenbildung sieht Microsoft Potential. Vor allem Ältere, die wenig bis überhaupt keinen Bezug zu Computern und Internet haben, könnten über die intuitiv zu steuernden Lerntische an die digitale Welt herangeführt werden. „Wir versuchen Menschen, die noch keine Computerkenntnisse haben, über unsere Technologie an die IT-Welt heranzuführen“, sagt Microsoft-Manager Henrik Tesch. Von Vorteil sei dabei auch orts- und zeitunabhängiges Lernen. Bildungsträger könnten sich so von der Masse abheben.

Über das Portal „IT-Fitness“ bietet Microsoft seit drei Monaten kostenlose Lernmodule für Internet, Textbearbeitung und Tabellenkalkulation. Bereits 30.000 Nutzer hätten das Angebot ausprobiert, berichtet der Softwarekonzern.