: Den Kampf für Demokratie feiern
ERINNERN 18. März statt 3. Oktober: Volker Schröder setzt sich für den Tag der Märzrevolution als Nationalfeiertag ein. Und konnte schon viele überzeugen
VOLKER SCHRÖDER, MARATHONLÄUFER UND 18.-MÄRZ-AKTIVIST
VON WALTRAUD SCHWAB
Wenn Volker Schröder in Berlin Marathon läuft, trägt er einen Besen bei sich. Spinnerei? Eigensinn? – Na und? Sein Großvater war Bürstenmacher. Wenn Schröder, der Enkel, mit seinem Feger dann durchs Brandenburger Tor läuft, spürt er, wie Dinge, die er angeregt hat, zusammengehen. Denn dass der Platz hinter dem bekanntesten Berliner Bauwerk seit ein paar Jahren „Platz des 18. März (1848)“ heißt, das ist sein Verdienst.
Früher trug Schröder beim Marathon eine Igelfahne durch Berlin – als Werbung für die Grünen. Schröder ist einer der Gründer der Partei in Berlin, war lange ihr Schatzmeister. Nicht aus Enttäuschung laufe er nun mit Borsten statt Stacheln durch die Stadt. Parteipolitik sei nichts für ihn, sagt er. Sein Motto war immer ein anderes: „Ich bin Buchhalter und Anarchist, weil beides notwendig ist.“ Über die Jahre hat er sich als solcher weiterentwickelt. Etwas weg von den Grünen. Deren Igelstacheln haben sich längst abgerundet und taugen eher zum Kämmen. Schröder hingegen muss sich nicht verbiegen, wenn es ums Bürsten geht: Er hat sich an das Handwerk seiner Vorfahren erinnert. Er fertigt Besen in einer kleinen Werkstatt – wenn er Lust hat, zieht er damit über die Märkte. Der weißhaarige 67-Jährige braucht Symbole. Die sind wie Pflöcke, die, in die Erde gerammt, seinem Leben Halt geben.
Traditionalist mit Mission
Außer mit Bürsten und mit Platzbenennungen hat Schröder es mit Gedenktagen. Er will, dass der 18. März, der Tag, an dem in Berlin vor 162 Jahren die Barrikaden brannten, ein Feiertag wird in Deutschland. In der Märzrevolution sieht er das bis heute wichtigste Ereignis, bei dem die Deutschen für Demokratie kämpften. Auf den 18. März müssen sich alle einigen können, „denen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit noch am Herzen liegt“, glaubt er. „Brüderlichkeit“ – das Wort ist alte Schule. Andere sagen „Solidarität“. Auch Schröder meint die – aber als Traditionalist und Symboliker sind ihm die alten Werte und Worte Gewohnheit.
Schröder sitzt in seiner Küche, von der aus man einen fantastischen Blick über die Dächer Berlins hat. Der Familienvater, Bundesverdienstkreuzträger, Lobbyist für den 18. März als Gedenktag und Oldtimerbesitzer – jawohl, einen schwarzen BMW-V8, Baujahr 1961, selten gefahren, aber viel bewundert, hat er auch – bietet Kekse an.
Das Gespräch mit ihm, der mitten im Krieg geboren ist, kommt sogleich auf den Faschismus. Wie sehen Sie jene Zeit? Den Keks in der Hand, stockt Schröder der Atem. Er beginnt zu weinen. „Ein einziges Verbrechen“, sagt er unter Tränen und entschuldigt sich. Wie sein Vater habe er nah am Wasser gebaut.
Seine Mutter hingegen war eine stramme Parteigängerin. Auch sein großer Bruder ist noch mit Begeisterung in den Krieg gezogen. Und gestorben. Dass sich Volker Schröder heute so beharrlich an die Märzrevolution erinnert, das hat vielleicht auch mit dem Faschismus zu tun, meint er. „Ich will das gute Deutschland.“
Schröder steht nicht allein. Für den 18. März als nationalen Gedenktag setzen sich auch andere ein. Schließlich ist es eine alte Idee der Kommunisten in Ost und West. Bei Letzteren landete Schröder, politisiert durch den Vietnamkrieg, nach seiner Bundeswehrzeit. Die wollten die Wiedervereinigung – in einem sozialistischen Deutschland. Für den 18. März als Nationalfeiertag arbeiteten Kommunisten auf beiden Seiten der Mauer als ersten Schritt. Es ist anders gekommen.
Aber Schröder hat Durchhaltevermögen. „Wenn eine Idee gut ist, ist sie nicht aufzuhalten“, sagt er. Schröder ist Fuchs genug, um zu wissen, dass man ohne Flügel eine Treppe nur Stufe für Stufe hinaufkommt. Nicht nur dass der Platz mitten in Berlin nun so heißt, Schröder hat auch Leute aus allen Parteien gefunden, die seine Gedenktagsidee unterstützen. Darunter Bernhard Vogel, Hermann Otto Solms, Wolfgang Thierse, Petra Pau. Grüne sowieso. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat den Senat 2008 zudem einstimmig aufgefordert, eine entsprechende Initiative in den Bundesrat einzubringen. Schon seit Jahren treffen sich Verfechter der Idee am 18. März am Brandenburger Tor. Und sie legen einen Kranz nieder auf dem Friedhof der Märzgefallenen. Dort sind die 254 Menschen beerdigt, die auf den Berliner Barrikaden starben. So setzt Schröder einen Schritt vor den anderen. Angst vor einem Marathon hat er nicht. Er trainiert für seinen 47. Lauf.