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Archiv-Artikel

Geld für die Schienen fehlt

VERKEHRSPOLITIK 48 Bahnprojekte stehen auf der Kippe. Darunter Vorhaben in Frankfurt, Hamburg, Dresden

„Wir verbuddeln Milliarden ohne großen Nutzen“

WINFRIED HERMANN, GRÜNE

AUS BERLIN RICHARD ROTHER

Bahn-Chef Rüdiger Grube hat eine mangelnde Finanzierung des Schienennetzes in Deutschland kritisiert. Für Erhalt und Ausbau der Infrastruktur stünden in diesem Jahr nur 4,4 Milliarden Euro zur Verfügung, sagte Grube beim parlamentarischen Abend der Schienenlobbyorganisation Allianz pro Schiene am Donnerstag in Berlin. Nötig seien aber mindestens fünf Milliarden Euro pro Jahr. Nur so könne dem prognostizierten Wachstum des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene Rechnung getragen werden.

Krisenbedingt brach der Schienengüterverkehr in Deutschland zwar im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt um knapp 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Experten erwarten aber, dass der Schienengüterverkehr wieder zunehmen wird, wenn sich die Wirtschaft erholt. Hintergrund der Forderungen des Bahn-Chefs: In den nächsten Monaten werden Bund, Länder und Bahn entscheiden, welche Bahnprojekte in den nächsten zehn bis 15 Jahren trotz der angespannten Haushaltslage realisierbar sind.

Ein Problem dabei: Deutschland hat mit seinen Nachbarländern Verträge über Verkehrsprojekte geschlossen, deren Finanzierung noch immer nicht gesichert ist. Dazu zählen unter anderem die Schienenanbindung der umstrittenen Fehmarnbeltbrücke nach Dänemark, der viergleisige Ausbau der Strecke Karlsruhe–Basel, der Ausbau der Strecke von Oberhausen zur holländischen Grenze, der Ausbau des Brennerpasszulaufs, der Ausbau der Strecke Angermünde–Stettin sowie der Neubau der Strecke von Dresden zur tschechischen Grenze Richtung Prag.

Insgesamt stehen 48 Projekte, die alle als vordringlich gelten, auf der Kippe. Dazu zählen auch die Baumaßnahmen an den Bahnknoten Frankfurt/Main, Berlin, Dresden, Hamburg und München, der Ausbau der Strecke Hagen–Gießen, die Y-Trasse zwischen Hamburg/Bremen und Hannover, der Ausbau der Strecke Lübeck–Rostock–Stralsund, der Ausbau der Strecke Berlin–Dresden sowie der Ausbau der Strecke Luxemburg–Trier–Koblenz.

Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann forderte ein Umdenken in der bundesdeutschen Schienenverkehrspolitik. „Hier haben wir uns in den vergangenen Jahren verheddert“, so Hermann. „Wir verbuddeln Milliarden ohne großen Nutzen.“ Alle Projekte müssten auf den Prüfstand, und dabei müssten Nutzen und tatsächlicher Bedarf ermittelt werden. „Wichtig ist der Nutzen für das Gesamtsystem Schiene, nicht der für irgendeinen Bürgermeister oder Landesfürsten.“ Die Deutsche Bahn AG müsse nun vorschlagen, welche Projekte für sie in den nächsten Jahren vordringlich seien. Darüber müsse dann offen debattiert werden.

Auch der Linke-Politiker Herbert Behrens verlangte, alle Infrastrukturprojekte zu überprüfen. Schließlich bremse künftig die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse mögliche Investitionen. „Die Politik muss entscheiden, welche Projekte aus wirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Sicht nötig sind.“

Die FDP allerdings weist die Forderungen nach mehr Geld für Bahnprojekte zurück. Die aktuelle Haushaltslage erlaube keine substanzielle Erhöhung der Ausgaben für die Schiene, so FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring.

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