Der Karikaturenstreit hat das politische Klima in Dänemark verändert : Die Ruhe nach dem Sturm
Für ein echtes Fazit des Karikaturenstreits dürfte es noch zu früh sein. Doch so viel scheint sicher: Für Dänemark scheint das Schlimmste überstanden zu sein, und von der Eskalation profitiert haben nur die Scharfmacher. Das jedenfalls signalisieren die Meinungsumfragen, in denen die Regierung und die Rechtspopulisten an Zustimmung gewonnen haben. Doch dass sich viele Dänen nun erst einmal erleichtert hinter ihrem Premierminister Rasmussen sammeln, ist eine verständliche Reaktion. Das große Nachdenken darüber, wie das Land eigentlich in eine solche Situation kommen konnte, dürfte erst noch einsetzen.
Leicht wird es den Dänen aber nicht fallen. Dem Land fehlt es dazu an einer klaren politischen Opposition. Die Sozialdemokratie glaubten nach ihrer Wahlniederlage, es reiche völlig aus, sich mit einer jüngeren, weiblichen Führungsfigur einen neuen Anstrich zu geben, um ansonsten konzeptionslos weiterzuwursteln. Doch jetzt zerfasert die Partei an ihren Rändern immer mehr in Richtung der Rechtspopulisten, der Linksliberalen oder der Linkssozialisten. Eine politische Alternative zur Regierung aber fehlt, von einer personellen Alternative zum Regierungschef ganz zu schweigen.
Trotzdem könnte sich in Dänemark etwas ändern. Denn im Zuge der Karikaturen-Affäre hat sich ein atmosphärischer Wandel bemerkbar gemacht. Die schweigende Mehrheit der muslimischen Migranten und eine gar nicht so unbedeutende Minderheit der Dänen haben entdeckt, was sie gemeinsam haben: zum Beispiel das Unbehagen, in einer Gesellschaft leben, in der die Politik für immer tiefere Gräben sorgt. Und die Fangemeinde von Rasmussen hat lernen müssen, dass dessen Kurs ihr bisher nur weniger Sicherheit und ein Loch in der Exportkasse gebracht hat. Inzwischen hat der Premier plötzlich „Toleranz“ als neues Lieblingswort entdeckt.
Noch eine Lehre lässt sich daher über Dänemark hinaus aus dem Fall ziehen: Politik ist nicht mehr nur lokal. Wer zu Hause auf populistische Stimmungen setzt, muss international einen Preis dafür zu zahlen. REINHARD WOLFF