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Archiv-Artikel

Chirac sucht Atomkooperation mit Indien

Frankreich will den USA bei der strategischen Kooperation mit dem energiehungrigen Indien nicht nachstehen

BOMBAY taz ■ Die Regierungen Indiens und Frankreichs haben gestern eine Absichtserklärung für eine weitreichende Zusammenarbeit in der zivilen Nutzung der Atomtechnik vereinbart. Während des eintägigen Staatsbesuches von Frankreichs Präsident Jacques Chirac in Delhi wurden acht weitere Abkommen unterzeichnet, unter anderem über die Lieferung von 43 Airbus-Jets. Mit Premierminister Manmohan Singh besprach Chirac auch das Übernahmeangebot des indischen Stahlkonzerns Mittal für den europäischen Arcelor-Konzern.

Zahl und Reichweite der Abkommen belegen ein neues Interesse des Westens an Indien. Der zweite asiatische Riese ist nicht mehr „nur“ Partner zum „Outsourcing“ von Flugbuchungen oder Arzneiverschreibungen, für Callcenter und Software-Entwicklungen. Indien könnte dem Westen auch als strategisches Gegengewicht in Asien zum immer mächtiger werdenden China dienen. In den vergangenen Monaten haben die USA und nun Frankreich durch handfeste Zusagen ihr Interesse gezeigt, die aufstrebende Macht auch stärker einzubinden.

Zunächst hatten indische Medien gemeldet, Chirac und Singh würden einen Atom-Pakt unterzeichnen. Daraus wurde jedoch nur eine Absichtserklärung. Der Atomsperrvertrag verbietet nämlich seinen Mitgliedern den Export von Nukleartechnologie oder Brennstoffen in solche Länder, die wie Indien dem Abkommen nicht angehören. Im Sommer 2005 beschloss Delhi auch mit den USA eine Erklärung zur nuklearen Kooperation. Darin verpflichtet sich Indien zur Trennung seiner zivilen und militärischen Atomanlagen als Vorbedingung für die Lieferung von Uran und Reaktortechnologie. Zivile Anlagen sollen, analog den Regeln des Atomsperrvertrags, dann unter internationale Kontrolle gestellt werden.

Doch das Abkommen ist in beiden Ländern umstritten. Indiens Atom-Establishment befürchtet, das Land könne seine technologische Autonomie verlieren, wenn Prüfer der internationalen Atomenergiebehörde IAEO indische Reaktoren inspizieren. US-Kongressabgeordnete kritisieren, dass hier eine Ausnahme vom Atomsperrvertrag ausgerechnet für ein Land gemacht werde, das unter Umgehung internationaler Kontrollen Atomwaffen erlangte. Das Plutonium für Indiens Atomtests 1974 und 1998 stammt aus einem Forschungsreaktor, den Kanada in den 60er-Jahren geliefert hatte.

Frankreichs Atomindustrie strebt eine langfristige Partnerschaft mit Indien an, die den Bau von Atomkraftwerken und Brennstofflieferungen umfasst. Delhi ist besonders am Schnellen Brüter interessiert, der helfen könnte, Südindiens große Thoriumvorkommen zu verstromen. Vor der Unterzeichnung eines formellen Nuklear-Abkommens wollten Delhi und Paris jedoch den Prozess der Trennung indischer Atomanlagen in zivile und militärische abwarten, hieß es gestern aus Delhi.

Chirac kann trotzdem auf engere Zusammenarbeit vertrauen. So hat allein der Deal von Airbus ein Volumen von 2,1 Milliarden Euro. Zudem sind Rüstungsprojekte im Gespräch, darunter die Lieferung von Mirage-Kampfflugzeugen. Vergangene Woche hatte Chirac eine seinen Besuch belastende Kontroverse entschärft, in dem er den ausgemusterten Flugzeugträger „Clemenceau“ nach Frankreich zurückbeorderte, der in Indien unter fragwürdigen Bedingungen hätte verschrottet werden sollen.

REGINE HAFFSTEDT