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Archiv-Artikel

Die Spinne im Netz

BERTELSMANN Zusammenarbeit mit HochschulrektorInnen und Wissenschaftsministerien: Wie eine Stiftung die Fäden für die Umstrukturierung des Hochschulsystems zieht

Das ist Bertelsmann

Die Bertelsmann Stiftung hat ein Stiftungsvolumen von 77,5 Mio. Euro (2008) und ist zu 77,4% (2009) Anteilseignerin der Bertelsmann AG, Europas größtem Medienkonzern. Sie hat damit als Eigentümerin der RTL Group (45 Fernsehsender, 31 Radiosender), Random House (120 Verlage in 19 Ländern), Direct Group (650 Club Center und Buchhandlungen) und Gruner +Jahr (ca. 285 Print- und Onlinemedien) eine beträchtliche Macht im öffentlichen Diskurs. Als zivilgesellschaftlicher Akteur initiiert und fördert sie gesellschaftliche Projekte und universitäre Forschung. Sie versteht sich nach eigenen Angaben „als ‚Motor‘, der notwendige Reformen initiiert und voranbringt“. (NBB)

VON NINA MARIE BUST-BARTELS

Am kommenden Wochenende treffen sich die Ministerinnen und Minister der Bologna-Staaten in Wien, um die Reform des europäischen Hochschulsystems zu feiern. Die Selbstbeweihräucherung der Reformgläubigen stößt nicht nur bei Studierenden auf Ablehnung. Bildungsstreikbündnisse und die Wiener Audimaxistinnen und Audimaxisten rufen unter dem Motto „Bologna burns“ dazu auf, den Gipfel zu blockieren.

Zentrale Akteure werden bei dieser Feier nicht dabei sein, jedenfalls nicht offiziell. So zum Beispiel die Bertelsmann Stiftung, die bereits zu Beginn der Neunzigerjahre gezielt Impulse für ein neues Profil der Hochschulen in Deutschland setzte. 1994 gründete sie zusammen mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) das Centrum für Hochschulentwicklung mit der revolutionären Abkürzung CHE. Ideal war und ist, laut Eigendarstellung, die Etablierung der „entfesselten Hochschule“, die, autonom und wirtschaftlich organisiert, mit anderen Hochschulen im Wettbewerb um die zahlende Kundin Studentin steht. Dieser Wettbewerb impliziert eine Hierarchisierung der Hochschulen, die durch die Exzellenzinitiative der Bundesregierung vorangetrieben wird. Das CHE-Hochschulranking setzt an gleicher Stelle an und suggeriert durch die im Zeit-Studienführer veröffentlichte Rangliste deutscher Hochschulen den Eindruck objektiver Vergleichbarkeit. Gleichzeitig wird hierdurch einer Gliederung der Hochschullandschaft in „Elitehochschulen“ und „Ausbildungshochschulen“ Vorschub geleistet.

Die Selbstbeweihräucherung der Reformgläubigen stößt auf Ablehnung

Eine enge Zusammenarbeit mit der Hochschulrektorenkonferenz sowie eine personelle Vernetzung mit den Wissenschaftsministerien der Länder ermöglichen dem CHE direkten Einfluss auf hochschulpolitische Entscheidungen. So gehören sowohl die Präsidentin der HRK, Prof. Dr. Margret Wintermantel, als auch Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner, Berliner Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung, dem Beirat des CHE an. Gleichzeitig bietet der Bertelsmann-Ableger Beratungsdienstleistungen für Hochschulen und Ministerien an. So stammt das 2005 verabschiedete „Hochschulfreiheitsgesetz“ Nordrhein-Westfalens, das zentrale Elemente der „entfesselten Hochschule“ enthält, aus der Feder des CHE.

Wenn also am nächsten Wochenende in Wien das große Zündeln losgeht, so richtet sich der Un(i)mut nicht nur gegen Fehler bei der Umsetzung einer Reform, sondern fundamental gegen die tiefgreifende Umstrukturierung des Hochschulsystems. Auch wenn die Folgen erst in den vergangenen Jahren offensichtlich wurden: Die Fäden im Hintergrund werden seit langem gesponnen und zu einem immer undurchsichtiger werdenden Netz verwoben.