Ausforschung verweigert

Rolf Gössner, Bremer Geheimdienstexperte, wird seit Jahrzehnten vom Verfassungsschutz beobachtet. Jetzt will er alle über ihn gesammelten Daten einsehen – und hat dazu Klage eingereicht

Bremen taz ■ Eigentlich hatte es Rolf Gössner ganz leicht. Als der „Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte“ erfuhr, dass er seit 1970 vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird, brauchte er nur in sein eigenes Buch zu schauen, um zu wissen, was zu tun war. Gössner ist nämlich der Autor von „Erste Rechts-Hilfe“ – des Standardwerkes für alle, die wegen politischer Aktivitäten mit dem Staat aneinandergeraten.

Der Bremer Rechtsanwalt ist schon lange eine Institution. Seit Jahrzehnten schreibt er gegen Polizeiwillkür, Repression und Überwachungsstaat an. Seit 1970 wird er deswegen überwacht. Offiziell wegen Kontakten zu als linksextremistisch eingestuften Organisationen wie der „Roten Hilfe“. Das weiß Gössner bereits seit Mitte der neunziger Jahre. Und besonders gewurmt hat ihn daran, dass sich der Verfassungsschutz seither beständig geweigert hat, ihm alle über ihn gesammelten Informationen offenzulegen. Wegen „Geheimhaltungsbedürftigkeit“ und, ausgerechnet, wegen „Ausforschungsgefahr“.

Lediglich in einen Teil seiner Akte wurde Gössner bisher Einsicht gewährt. Und das auch nur, weil er das hierfür nötige „qualifizierte Interesse“ nachweisen konnte: Er hatte sich für eine Stelle im öffentlichen Dienst beworben. Sonst hätte er gar nichts erfahren.

Mit seiner Klage vor dem Kölner Verwaltungsgericht will Gössner nun auch Einsicht in den Rest der Akten erstreiten. Der Verfassungsschutz habe bei ihm „die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt“, erklärt er. Seine politischen Kontakte seien beruflicher Natur, deswegen sei eine solche Dauerbeobachtung nicht zulässig. Und darum, so sagt er, müsse die unrechtmäßig zustandegekommene Akte ihm nun vollständig gezeigt werden.

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen hat die Beobachtung seit jeher dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln überlassen – laut Goessner wegen seiner bundesweiten Tätigkeit. Dort gibt man sich – wie könnte es anders sein – zugeknöpft. Ob der Herr Gössner denn wirklich so gefährlich sei, dazu könne man gar nichts sagen, ob er überhaupt beobachtet werde, auch nicht. Der Einwand, dass dies bereits schriftlich eingeräumt wurde, öffentlich bekannt und aktenkundig ist, hilft da auch nicht weiter. Aber die Neugier ist geweckt. Was das denn für ein Schreiben sei, das der Herr Gössner da verschickt habe, und ob man das nicht mal auf’s Fax legen könne, fragt die Dame vom Verfassungsschutz ganz freundlich. Sollte da reflexhaft die branchenübliche Neigung zur Materialsammlung durchgebrochen sein?

Dass Gössner die attestierte Staatsfeindlichkeit plötzlich schlaflose Nächte bereitet, kann zumindest getrost bezweifelt werden. Seit Jahren wirbt sein Verlag mit dem Umstand, dass der Autor „seit über einem Vierteljahrhundert der Beobachtung durch den Verfassungsschutz“ unterliegt. Christian Jakob