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EU bündelt Elite

Das Technologiezentrum ist eins der ehrgeizigen Projekte des EU-Kommissionschefs. Doch der Forschungsrat fürchtet, dass das EIT auf Kosten anderer Bildungs- und Forschungsvorhaben geht

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Die EU-Kommission wird heute ihre Pläne für ein Europäisches Technologiezentrum (EIT) vorstellen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso brachte die Idee vor einem Jahr auf und nannte als Vorbild das 1862 gegründete Massachusetts Institute of Technology, aus dem 59 Nobelpreisträger hervorgingen. Die Initiative gehört wie Bürokratieabbau und Dienstleistungsrichtlinie zu Barrosos „Lissabon-Plänen“, mit denen Europa im globalen Wettbewerb besser aufgestellt werden soll.

Auf den ersten Blick hat die Idee viel mit der deutschen Exzellenz-Initiative gemein, bei der herausragende Universitätsinstitute und Forschungseinrichtungen speziell gefördert werden sollen. Deshalb brachte das Konzept zunächst Hochschulvertreter und den Europäischen Forschungsrat ERC auf die Barrikaden. Sie fürchten, dass die Mittel anderswo im Forschungsbereich abgezwackt werden sollen. Denn die Gesamtsumme für lebenslanges Lernen, Forschung und Entwicklung wird im Planungszeitraum 2007 bis 2013 allen Lissabon-Beteuerungen zum Trotz drastisch gekürzt.

Der im Europaparlament für die Finanzverhandlungen zuständige CDU-Abgeordnete Reimer Böge hat die Folgen für einige Bildungsbereiche berechnet. So hätten für die Erwachsenenbildung nach dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag 12,7 Milliarden Euro bereitstehen sollen. Der Betrag wurde auf knapp 6 Milliarden Euro zusammengestrichen. Statt 25.000 Menschen können nur noch 1.000 Fortbildungswillige pro Jahr gefördert werden. Die Auslandsförderung „Erasmus“ können derzeit 170.000 StudentInnen jährlich in Anspruch nehmen, künftig wären es nur noch 140.000.

Die Vereinigung Europäischer Universitäten (EUA) bangt um die Forschungsförderung. Ursprünglich hatte die EU-Kommission für die Jahre 2007 bis 2013 knapp 70 Milliarden Euro verlangt. Beim Dezembergipfel in Brüssel einigten sich die Regierungen auf gerade mal 49,5 Milliarden. Das EU-Parlament fordert Nachbesserungen oder Kredite aus dem Europäischen Investitionsfonds. Doch die Verhandlungen kommen seit zwei Monaten nicht von der Stelle. „Im gegenwärtigen Klima der Unsicherheit über ein EU-weites Forschungsbudget wird ein echter europäischer Konsens durch die Gründung eines EIT erschwert“, schreibt die EUA in einer Stellungnahme vom Dezember. Die Vereinigung vertritt nahezu 800 Universitäten aus 45 europäischen Ländern und 34 nationale Rektorenverbände.

EU-Forschungskommissar Janez Potocnik hat die Vorbehalte aufgegriffen und wiegelte schon vor Wochen ab: „Eine neue Institution zu schaffen wäre ziemlich künstlich. Wenn wir die existierenden Universitäten nehmen und ein Netzwerk aufbauen, wäre dies fruchtbarer und logischer für die europäische Wirklichkeit.“ Wozu dann aber tausende Mitarbeiter in Straßburg, wie der EU-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis meint? (s. Interview) Auch wie die Abgrenzung zum Europäischen Forschungsrat aussehen soll, der ebenfalls noch in den Kinderschuhen steckt, bleibt unklar. Barrosos Lissabon-Projekte sind bei näherer Betrachtung entweder zu vage, nicht wirklich neu oder nicht finanzierbar. Das EIT, so scheint es, bildet da keine Ausnahme.

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