: Misshandelt und zu Tode gefoltert
Die Entführung und der Mord an einem Juden erschüttern Frankreich. Die mutmaßlichen Täter hatten versucht, von der Familie des Opfers 450.000 Euro Lösegeld zu erpressen. Angehörige und Politiker gehen von einem antisemitischen Verbrechen aus
AUS PARIS DOROTHEA HAHN
Fest steht, dass Ilan Halimi misshandelt und gefoltert worden ist, bevor er am 13. Februar sterbend neben Bahngleisen im Süden von Paris gefunden wurde. Die Entführer des 23-Jährigen, die sich „Gang der Barbaren“ nannten, hatten versucht, 450.000 Euro von der Familie ihres Opfers zu erpressen.
Dass Ilan Halimi aus antisemitischen Gründen ermordet worden sein könnte, ist vorerst eine Arbeitshypothese der Justiz. Seit Montag ermittelt die Untersuchungsrichterin aufgrund der Aussagen von mehreren inhaftierten mutmaßlichen Tatbeteiligten in dieser Richtung. Der Hauptverdächtige ist flüchtig. Gestern reisten zwei französische Kriminalbeamte mit einem internationalen Haftbefehl in die Elfenbeinküste, wohin Youssef F. (23) nach der Tat geflohen sein soll.
Unterdessen mischen sich zahlreiche Spitzenpolitiker in die Ermittlungen ein. Sprecher der sozialistischen Partei und der rechten Regierungspartei UMP reden von einem „antisemitischen Verbrechen“ und zeigen „Verständnis für die Unruhe“ in der jüdischen Gemeinde.
Im „Rat der jüdischen Institutionen Frankreichs“ Crif, mahnte der Vorsitzende Roger Cukierman seine Mitglieder zur Ruhe. Zugleich fragte er den Regierungschef öffentlich: „Ist Ilan gestorben, weil er jüdisch war?“ Dominique de Villepin antwortete, dass „die ganze Wahrheit“ herausgefunden und veröffentlicht würde. Im Chor der politischen und medialen Vorverurteilungen setzt sich nur die Menschenrechtsliga ab. Sie warnte gestern in Paris vor übereilten öffentlichen Vorverurteilungen.
Der Telefonverkäufer Ilan Halimi war im Januar von einer jungen Frau in eine Falle gelockt worden. Wenig später erhielt seine Familie per E-Mail ein Foto, das den jungen Mann mit einer auf seinen Kopf gerichteten Pistole zeigt. Die Entführer verlangten 450.000 Euro Lösegeld. „Andernfalls könnt ihr den Leichenwagen bestellen.“ Die drei an die Familie gesandten Fotos zeigen das Opfer nackt und gefesselt. In Posen, die, meinen Angehörige, an Szenen aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib erinnern.
Angehörige waren schon während der Entführung überzeugt, dass es sich um ein antisemitisches Verbrechen handele. Als die Familie erklärte, dass sie kein Geld habe, soll einer der Entführer am Telefon geantwortet haben: „Sucht es in den Synagogen!“ Bei seiner Beerdigung und bei einer Demonstration am Sonntag in Paris wollten Freunde des Toten von einer antisemitischen Strategie der Entführer wissen. Angehörige bedauern, dass sie die Polizei eingeschaltet haben. Sie haben, wie viele andere in Paris, das Gerücht von einem jüdischen Mädchen gehört, das entführt worden und gegen ein Lösegeld von 100.000 Euro freigelassen worden sei. Ohne Einmischung der Polizei.
Die Verdächtigen, von denen sich sieben in Haft befinden, sollen vor Ilan Halimi sechs weitere Entführungen versucht haben. Drei ihrer potenziellen Opfer waren ebenfalls jüdisch. Eine der Verdächtigen soll ausgesagt haben, ihre Kumpane seien überzeugt, dass Juden Geld hätten.