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Archiv-Artikel

„Macht vor Sicherheit“

SPIONAGE Rechtsanwalt Oliver Pragal ruft zum Protest gegen das US-Programm Prism auf

Oliver Pragal

■ 36, arbeitet als Rechtsanwalt und hat die Protestkundgebung „Stop Prism Now!“ organisiert

taz: Herr Pragal, Sie sind parteilos und demonstrieren zum ersten Mal. Warum gehen Sie heute auf die Straße? Oliver Pragal: Ich protestiere gegen die von Edward Snowden enthüllte, verdachtsunabhängige Bespitzelung und Aufzeichnung des gesamten digitalen Lebens der Menschen durch Geheimdienste. Das betrifft nicht nur die NSA. Für mich ist das eine paranoide Grenzüberschreitung, die ich mir nicht hätte vorstellen können. Der Bürger wird zum Objekt der Beobachtung, zum Untertan degradiert: Das ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar.

Wie lauten Ihre Forderungen?

Erstens muss die Bundesregierung die Fakten aufklären und veröffentlichen. Zweitens muss sie die USA und Großbritannien auffordern, Prism und das offenbar noch deutlich weitergehende Projekt Tempora einzustellen.

Warum ist es Ihrer Meinung nach so wichtig, gegen die internationale Datenüberwachung auf die Straße zu gehen?

Es betrifft uns alle, täglich. Der Satz „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten“, stellt die Dinge in gefährlich einfältiger Weise auf den Kopf. Jakob Augstein hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass es hier nicht um Sicherheit, sondern vor allem um Macht geht.

Inwiefern motiviert Sie Ihr Beruf als Anwalt zu dem Protest?

Das Grundrecht auf Privatsphäre und unser freiheitlicher Rechtsstaat insgesamt sind in Gefahr. Außerdem fürchte ich, dass das Vertrauen der Mandanten in die Vertraulichkeit der Kommunikation zerstört wird.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Demo eine extreme Klientel anziehen könnte?

Das lehne ich entschieden ab. Es ist keine anti-amerikanische Demonstration, sondern eine für die Freiheitsrechte!

Wie bewerten Sie die Haltung der Bundesregierung zur Prism-Affäre?

Deren Haltung ist zutiefst scheinheilig. Die Kanzlerin verteilt verbale Rügen, während Außenminister Westerwelle weiterhin belanglos mit dem US-Botschafter plaudert. Nur die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) engagiert sich ernsthaft in dieser Sache.

Deutschland ist das Haupt-Angriffsziel der Amerikaner in der Europäischen Union. Glauben Sie dem BND, dass er von der Datenüberwachung nichts wusste?

Das würde mich sehr überraschen. INTERVIEW: ANNA LASARZIK

Protestkundgebung „Stop Prism Now!“: 19 Uhr, US-Generalkonsulat, Alsterufer 27