Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

In der zweiten Tranche mit den 30 Lieblingsfilmen der 2002 verstorbenen Filmkritikerin Frieda Grafe im Arsenal gibt es ein Wiedersehen mit Yasujiro Ozus wunderbarem Spätwerk „Akibiyori“ („Spätherbst“, 1960). Einmal mehr bewegt sich der japanische Regisseur hier im Rahmen einer insgesamt eher heiteren Familiengeschichte, die am Beispiel einer Heirat das – zumindest in der damaligen japanischen Gesellschaft – zentrale Problem der Abnabelung der Kinder von ihren Eltern zum Thema hat. Denn gern lassen sich in Ozus Filmen verwitwete Elternteile den Haushalt von der bereits erwachsenen Tochter führen, haben zugleich aber auch ein schlechtes Gewissen, weil der – natürlich pflichtbewussten – Tochter damit die Heirat verwehrt bleibt.

Doch die Zwangsläufigkeit des Lebenszyklus bleibt stets gewahrt: Die Kinder werden schließlich mit allerlei Tricks in die Eigenständigkeit vertrieben, und die ältere Generation muss sich an das Alleinsein gewöhnen. In „Akibiyori“ ist die Geschichte sogar noch komplizierter, weil hier nicht die noch recht junge Witwe Akiko (Setsuko Hara) und ihre Tochter Ayako irgendwelche Pläne schmieden, sondern eine Gruppe von drei männlichen Freunden Akikos. Sie suchen nach einem Heiratskandidaten für Ayako und – weil diese die Mutter nicht allein lassen will – auch gleich noch nach einem ebensolchen für Akiko.

Doch statt Glück zu stiften, sorgen die Herren zunächst einmal für erhebliche Entfremdung zwischen den beiden Frauen: Ayako betrachtet die vermeintlich geplante Heirat der Mutter (von der diese gar nichts weiß) als Untreue gegenüber dem toten Vater. Natürlich werden sich die Wogen wieder glätten, nachdem jede Verhaltensweise der Figuren ausführlich von allen erdenklichen Seiten beleuchtet wurde: In Ozus Filmen geht es immer um Ausgleich und Verständnis. Frieda Grafe hat in einem kleinen Essay übrigens vor allem über die Farben von „Akibiyori“ geschrieben: über Grün als „Mittelwellenlänge“ und Farbe der „Beschaulichkeit“. (Om engl. .U, 13. 7. Arsenal 1)

Beschaulich geht es in Clint Eastwoods düsterem Biopic „Bird“ (1988) hingegen garantiert nicht zu: Der Saxofonist Charlie Parker (Forest Whitaker), eine Ikone des Bebop-Jazz, zerstört sein maßlos gelebtes Leben mit Alkohol, Heroin und vielen Frauen selbst. Nur in kurzen Phasen seines Lebens bieten die Musik und seine Frau Chan (Diane Venora) ihm einen Halt, doch mit 34 Jahren ist er tot. Jazz-Fan Eastwood erzählt seine Geschichte vom Ende her und entwirft Parkers Lebensgeschichte in einem Puzzle aus nichtchronologischen Rückblenden und Erinnerungen. (OmU, 12. 7. Arsenal 2, 15. 7. Arsenal 1)