: Ausschuss scheitert nicht an den Grünen
Jetzt fehlt nur noch die FDP: Nach der Linksfraktion haben sich gestern auch die Grünen dazu durchgerungen, einen Untersuchungsausschuss zur Geheimdienstaffäre zu fordern. Die Großkoalitionäre bemühen sich derweil, den BND zu entlasten
VON ULRIKE WINKELMANN
Die Grünen haben gestern beschlossen, doch noch einen Untersuchungsausschuss zur Geheimdienstaffäre zu fordern.
Gestern Nachmittag sprachen sich Partei- und Fraktionschefs sowie die Fachpolitiker einstimmig dafür aus, einen U-Ausschuss einzusetzen. Auf der nächsten Fraktionssitzung wird darüber abgestimmt. „Ich finde das natürlich richtig“, erklärte Christian Ströbele gestern der taz. Er hatte für die Grünen bis Mittwoch im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) an der Aufklärung des Komplexes gearbeitet – und viele neue Fragen zutage gefördert. Vor allem der BND in Bagdad, aber auch die CIA-Flüge und der Fall des von der CIA entführten Khaled al-Masri müssten Thema eines „sehr eingeschränkten“ Ausschusses sein, so Ströbele. Dies müsse aber mit den Oppositionskollegen verhandelt werden.
Da für die Einsetzung eines U-Ausschusses 25 Prozent des Bundestags und somit alle 3 Oppositionsfraktionen stimmen müssten, hängt nun alles an der FDP. Die will offiziell am 7. März entscheiden, klingt bislang aber nicht übermäßig motiviert. Die Linksfraktion ist längst dafür.
In der Nacht zu gestern gab die Bundesregierung auch endlich einen Teil ihres Berichts zur Beteiligung deutscher Geheimdienste am US-Kampf gegen den Terror frei. Rund zwei Drittel des etwa 300-seitigen Berichts blieben jedoch offiziell unter Verschluss. Denn der Bundesdatenschützer Peter Schaar meinte, die persönlichen Daten von al-Masri und des von deutschen Geheimdiensten in Syrien verhörten Deutschsyrers und mutmaßlichen Terroristenmentors Mohammed Haidar Zammar seien zu schützen.
Damit lagen offiziell nun 100 Seiten des Berichts vor, dazu 37 Seiten Bewertung des PKG bzw. dessen großkoalitionärer Mehrheit sowie 11 Seiten abweichende Bewertung von Christian Ströbele (vgl. Auszug). Der vollständige 300-Seiten-Bericht ging freilich als Verschlusssache an alle Bundestagsabgeordneten und kursierte gestern deshalb auch schon in den Redaktionen.
Die Großkoalitionäre erklärten, sie seien über die unvollständige Veröffentlichung nun sehr unglücklich, da sie größtmögliche Transparenz wollten. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD und PKG-Insider Olaf Scholz. Bei Schaar habe sich das „Beamtengewissen durchgesetzt“. Die fraglichen Daten hätten bereits in der Zeitung gestanden.
Der zentrale Konflikt um die Frage, ob und in welchem Maße die zwei deutschen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bagdad im Frühjahr 2003 den USA beim Irakkrieg geholfen haben, macht sich jedoch ohnehin an den öffentlichen Teilen des Berichts fest.
Olaf Scholz verwies gestern sämtliche Behauptungen, die BND-Männer hätten den USA kriegswichtige Informationen über Bombenziele geliefert, ins Reich der „Spekulationen“. Um dies zu erkennen, „muss man sich schon sehr anstrengen“, sagte Scholz. Sein CDU-Amtskollege Norbert Röttgen ergänzte: Es habe „den Fall nicht gegeben“, dass die USA ein Bombenziel angefordert hätten, das die beiden BND-Mitarbeiter dann samt Koordinaten lieferten, worauf es bombardiert wurde.
Genau diese Behauptung hält Ströbele für zumindest unklar. In seiner Bewertung zählt er auf, dass die zwei BNDler unter anderem Gefechtsstände und Stellungen an die BND-Zentrale nach Pullach meldeten, die diese Informationen an die USA weiterreichte. Ein Offiziersclub der Luftwaffe wurde erneut bombardiert, nachdem der BND gemeldet hatte, dass sich dort trotz vorheriger Bombardierung wieder Militärs bewegten – möglicherweise lag ein Bunker darunter.
Scholz und Röttgen erklärten gestern, die Meldung mobiler Ziele wie Stellungen mit Lkws unter Tarnnetzen hätte dem Auftrag entsprochen: Die beiden BNDler sollten eben ein „Lagebild“ abgeben, ob Bagdad verteidigt würde. Die Meldungen seien ohne „unmittelbare Relevanz für die taktische Luft- und Landkriegsführung der Koalitionstruppen“ gewesen, die auftragsgemäß ausgeschlossen war.
Was den Offiziersclub anging, so war der zwar nicht mobil, aber seine Koordinaten kannten die USA bereits, konnten vom BND also nicht verraten werden. Im Regierungsbericht heißt es dazu: „So beschrieben die mit Koordinaten versehenen Meldungen Sachverhalte, die für die strategische Luftkriegsführung entweder nicht von Interesse oder der US-Seite schon vorher im Detail bekannt gewesen waren.“
Röttgen und Scholz warben gestern dafür, den beiden BND-Mitarbeitern zu vertrauen, die im PKG plausibel gemacht hätten, wie sie ihre Informationen abgewogen hätten. Sie hätten klar und gut unterscheiden können, was zur vereinbarten Beschreibung des Lagebilds gehörte – und was zur Zielerfassung. „Das sind gute Leute“, sagte der SPD-Politiker Scholz.