RAG strahlt unter Tage

Mehr Atomstrom für CDU und CSU, mehr Steinkohle für die SPD: Im Vorfeld des nationalen Energiegipfels bekommt die große Koalition im Bund Unterstützung von der Gewerkschaft IGBCE

VON ANDREAS WYPUTTA

Längere Laufzeiten für Atommeiler gegen milliardenschwere Subventionen für die deutsche Steinkohle: Dieser Deal wird jetzt auch von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) offiziell unterstützt. Gewerkschaftsboss Hubertus Schmoldt sprach sich am Wochenende für die Verlängerung der Restlaufzeiten „besonders sicherer“ Atomkraftwerke aus. Weitere Kürzungen der Kohleförderung lehnte Schmoldt vor Vertretern der Energiewirtschaft dagegen ab. Dies seien „Wortbruch“ – betriebsbedingte Kündigungen seien dann unvermeidlich. Derzeit subventionieren Bund und Land die Steinkohle mit rund zwei Milliarden Euro jährlich.

Der IGBCE-Chef schwenkt damit auf eine Kompromisslinie ein, die sich im Vorfeld des für Anfang April angesetzten nationalen Energiegipfels herausbildet. Politiker der Union wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (beide CSU) hatten wiederholt einen längeren Betrieb von Atommeilern angemahnt. Für die SPD ist der Ausstieg aus der Steinkohle dagegen unvorstellbar: Schon bei seinem ersten Besuch im Ruhrgebiet trat SPD-Chef Matthias Platzeck in die IGBCE ein. Immer wahrscheinlicher wird damit ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Die Union könnte sich mit ihrer Forderung nach längeren Laufzeiten durchsetzen. Im Gegenzug würde der Bund die Steinkohle langfristig subventionieren.

Begründet werden sollen die Subventionen mit der Bedeutung der Steinkohle für die nationale Energieversorgung. „Der Erhalt des Zugangs zu Lagerstätten ist Aufgabe des Bundes – auf diese Argumentation wird es wohl hinauslaufen“, ist auch aus dem Umfeld von Nordrhein-Westfalens zuständiger Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) zu hören. Gewerkschaftschef Schmoldt fordert bereits Zusagen bis 2030: „Man darf sich an einer solchen politischen Entscheidung nicht vorbeidrücken.“

Die IGBCE unterstützt deshalb auch den geplanten Börsengang des Essener RAG-Konzerns als letztem verbliebenen deutschen Steinkohleförderers. RAG-Boss Werner Müller, Ex-Wirtschaftsminister im ersten Kabinett Schröder, will seine chronisch defizitäre Tochter Deutsche Steinkohle (DSK) in eine Stiftung überführen. Ausgerüstet mit den Mitteln aus dem RAG-Börsengang und den Subventionen des Bundes wäre die DSK wirtschaftlich auf sich selbst gestellt. Müllers Kalkül: Bei einem möglichen Zusammenbruch der Stiftung würde nicht mehr die RAG, sondern der Bund die Risiken durch den jahrhundertelangen Bergbau, etwa durch Bergschäden, tragen. Dazu dient nicht nur die am Freitag angekündigte Übernahme des Chemiespezialisten Degussa. Müller lässt für die RAG bereits einen neuen Namen suchen, bei dem nichts mehr an die alte „Ruhrkohle AG“ erinnern soll.