: Rechtswidriger Kessel
VERSAMMLUNGSFREIHEIT Polizei stoppte Demo in Göttingen ohne rechtliche Grundlage. Demonstrant klagt
Die Polizei hat am 16. April 2009 widerrechtlich rund 60 Teilnehmer einer Spontandemonstration eingekesselt. Das hat die Polizeidirektion Göttingen in einem Schriftsatz an das Verwaltungsgericht Göttingen eingeräumt. Der Klage eines Demonstranten gegen die Polizei hat das Gericht damit stattgegeben.
„Die Beklagte ist unter Zurückstellung rechtlicher Bedenken zu der Überzeugung gelangt, den Antrag des Klägers … anzuerkennen“, heißt es in der polizeilichen Stellungnahme. Der heute 37-Jährige hatte sich an der Demo gegen die Räumung eines besetzten Hauses in Erfurt beteiligt. Die Polizei stoppte den Aufzug und kesselte die Demonstranten ein. Nur Passanten, die nichts mit der Kundgebung zu tun hatten, durften vorbeigehen.
Bereits im November hatte das Verwaltungsgericht der Klage des Mannes gute Erfolgsaussichten bescheinigt. Die Demonstration sei durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt gewesen. Die Einkesselung werde sich „voraussichtlich als rechtswidrig erweisen“, so das Gericht damals. Eine Einkesselung sei nur rechtens, wenn die Demonstration vorher durch die Einsatzkräfte aufgelöst werde. Einen Ausnahmefall für eine solche Auflösung konnte das Gericht nicht erkennen. Die Demonstration sei bis zu ihrer Einkesselung friedlich verlaufen.
„Die Polizei war sich während des Einsatzes ihres gesetzeswidrigen Verhaltens bewusst und ist mit ihrem Versuch, das Versammlungsrecht einzuschränken, zu Recht gescheitert“, sagte am Mittwoch Rechtsanwalt Sven Adam, der den Kläger in dem Verfahren vertritt. Eine Woche vor dem anberaumten Verhandlungstermin habe die Polizeidirektion nun lieber den Klägeranspruch anerkannt als sich in einem ausführlichen Urteil ihren Rechtsverstoß nochmals bestätigen zu lassen.
Trotzdem muss sich die Polizeidirektion wegen des Einsatzes am 17. März vor dem Verwaltungsgericht verantworten. Im Auftrag einer weiteren Demonstrationsteilnehmerin hat Adam gegen die polizeilichen Videoaufnahmen der Demonstrationsteilnehmer geklagt. Für eine derartige Maßnahme biete das Versammlungsgesetz in diesem Fall keinerlei rechtliche Grundlage. REIMAR PAUL