: Der lange Fall
PORTRÄT Die Doku über die früh verstorbene Amy Winehouse ist der Auftakt der ARD-Reihe „Pop-Legenden“ (22.45 Uhr). Sie klammert leider zu viele Begleitumstände aus
VON JENS UTHOFF
Mit einem Porträt, in dem sich der Filmemacher Andreas Kanonenberg dem Leben und Wirken der 2011 verstorbenen Amy Winehouse widmet, startet die ARD heute die dreiteilige Reihe „Pop-Legenden“. In den kommenden Wochen werden am späten Mittwochabend noch 45-minütige Dokus zu Udo Lindenberg und Tina Turner zu sehen sein.
Dabei hat man es mit drei Solo-Künstlern und -Künstlerinnen zu tun, die nicht allzu viel gemein haben, die Auswahl erscheint willkürlich. Das Winehouse-Porträt darf man mit Spannung erwarten, da ihr Werk und ihr Tod noch am wenigsten aufgearbeitet sind und sie die rätselhafteste Figur zu sein scheint.
Kanonenberg wählt einen konventionellen Weg, um die Story der Neo-Soul-Diva zu erzählen. Er verfolgt chronologisch ihre Biografie, lässt dabei die Eltern Janis und Mitch Winehouse, Freundin Juliette Ashby, ihre Produzenten, Kritiker und Manager zu Wort kommen und hat erstaunlich viel Exklusivmaterial zusammengetragen. „Ich wollte mich auf die Künstlerin Amy Winehouse konzentrieren und gleichzeitig die Person hinter der öffentlichen Wahrnehmung darstellen“, sagt er im Gespräch. Der in Los Angeles lebende Dokumentarfilmer hat zuletzt zehn Jahre für einen Spartenkanal des US-Medienunternehmens NBC Universal im Unterhaltungsbereich gearbeitet.
In seinem Film sieht man Winehouse bei Schulaufführungen, man sieht sie in den Island Records Studios vorsingen, an der Seite ihres ersten Mannes Blake Fielder-Civil mit gesenktem Haupt, oder man sieht sie durch Londoner Szeneviertel torkeln, von einer Schar Fotografen umgeben. Kanonenberg psychologisiert wenig und hält sich an das nahe Umfeld der Winehouse, inklusive ihres frühen Mentors Bill Ashton, Leiter des National Youth Jazz Orchestras.
Persönlich, so wird schnell klar, ist Winehouse von der Jugend an völlig haltlos. Ihr Karrierehöhepunkt ist das Album „Back To Black“ im Jahr 2006. „Das ganze Album ist Ausdruck einer tiefen Depression“, erklärt Kanonenberg im Film. „Atemberaubend“ nennt Musikkritiker Dan Cairns die unverstellten persönlichen Texte des Albums.
Es gelingt nur teilweise, dieser Frau, ihrer seltsamen Absenz, die sie ausstrahlt, filmisch näherzukommen. Ihren musikalischen und persönlichen Werdegang stellt Kanonenberg gut dar, was aber Charaktere wie Winehouse und ihre Vorgänger in der Popkultur auszeichnet, wird kaum erörtert. Die jüngste Biografie über Winehouse, in der Autorin Chloe Govan behauptet, Winehouse hätte bereits mit zehn Jahren versucht, sich das Leben zu nehmen, konnte gar nicht mehr berücksichtigt werden.
Kanonenberg arbeitet mit Reduktion und will gänzlich ohne Metaebene auskommen – es funktioniert dabei nicht ganz, Winehouse’ Geschichte zu erzählen und die britische Medien- und Popkultur auszublenden. Zu sehr wirken auch diese Strukturen um sie herum wie ein Teil ihrer Geschichte.