: Bausenator will B74-Kläger entmachten
Streit um Weiterbau der B74 in Bremen-Nord eskaliert. Weil die Straße die S-Bahn ebenerdig kreuzen soll, wirft der BUND dem Bauressort „Beihilfe zur Körperverletzung“ vor. Das hält an der Schranke fest, will aber dem Kläger die Klagebefugnis nehmen
Bremen taz ■ Schiene und Straße sind oftmals Konkurrenten. In Bremen-Nord sind sie derzeit echte Kontrahenten. Zwischen Rekum und Farge will der Senat der B 74 zu einer neuen Trasse verhelfen, 2,7 Kilometer Asphalt, vom Kreinsloger zur Weserfähre, der Bund soll zahlen. Doch worum die örtliche Bürgerinitiative gegen den Straßenbau bisher vergebens kämpfte, könnte nun die Eisenbahn besorgen: den Planfeststellungsbeschluss des Bauressorts zu kippen.
Ihre Gleise nämlich waren zuerst da, in Farge. Derzeit rattern über sie nur vereinzelte Güterzüge. Schon 2007 aber soll hier eine S-Bahn im 30-Minutentakt nach Vegesack pendeln. So hat es die Umweltdeputation unter Vorsitz des Bausenators vor einem knappen Jahr beschlossen. Das hätte auch die Straßenplaner interessieren müssen: Denn neue Bundesstraßen, so steht es im Gesetz, dürfen Bahnanlagen nicht ebenerdig kreuzen. „Ein ernsthaftes Problem“, diagnostizierte das Oberverwaltungsgericht, das dieser Tage die Klage eines Anwohners gegen den Straßenneubau verhandelte. Denn sollte der Bahnübergang rechtswidrig sein, wäre die ganze Straße nicht mehr im öffentlichen Interesse, der Planfeststellungsbeschluss hinfällig. Der Kläger, dessen Grundstück zum Teil benötigt würde, dürfte nicht enteignet werden. Der Straßenbau wäre vorerst vom Tisch.
Gestern reagierte das Bauressort: Der umstrittene Bahnübergang soll bleiben, der Kläger aber die Klagebefugnis dagegen verlieren. Helfen soll dabei ein Trick. Statt eines Lärmschutzwalls will die Behörde hinter dem Grundstück des Klägers nun eine Lärmschutzwand errichten. Die braucht weniger Platz, das Grundstück würde gar nicht mehr benötigt. „Die Behörde versucht, in einem kleinen Punkt nachzubessern, um nicht die große Rechtswidrigkeit, die sie begangen hat, ausgeurteilt zu bekommen“, schimpft Rechtsanwalt Andreas Reich. Um den Planfeststellungsbeschluss ändern zu können, beantragte das Bauressort gestern, den ursprünglich für morgen angesetzten Verhandlungstermin um vier Wochen nach hinten zu schieben.
Was den Bahnübergang angeht, verwies das Bauressort auf die vorliegende Ausnahmegenehmigung, die die Eisenbahnaufsicht vor zwei Wochen erteilt hat. Beantragt hatte sie das Amt für Straßen und Verkehr. Beide Behörden unterstehen dem Bausenator.
Eine Brücke für die Eisenbahn, so argumentierte der Vertreter der Stadt vor Gericht, koste neun Millionen Euro: zu teuer. „Hier werden billigend schwere Unfälle mit unübersehbaren Personenschäden in Kauf genommen“, kritisierte gestern BUND-Vorsitzende Helmut Horn. Dem Bauressort warf er „Beihilfe zur Körperverletzung“ vor.
Geht es nach Rechtsanwalt Reich, wird der Straßenstumpen im Bremer Norden sogar noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Die Asphaltpiste ist nämlich im Bundesverkehrswegeplan als „vordringlicher Bedarf“ eingetragen – für angeblich gut 15.000 Autos am Tag. Die Fahrer Fähre, sozusagen Teil der B 74, befördere nämlich schon jetzt nur noch 2.000 Autos am Tag, einschließlich der lokalen Pendler. Das Gros der Blechlawine sei also Anliegerverkehr. Eine solche Straße dürfe der Bund aber gar nicht finanzieren. Weswegen der Bundesverkehrswegeplan in diesem Punkt schlicht verfassungswidrig sei. Das Bremer Oberverwaltungsgericht muss am 28. März entscheiden, ob die Karlsruher Richter das überprüfen sollen.
Armin Simon