: „Zement passt sehr gut“
KUNST Das Marcks-Haus gibt einer vergessenen Künstlerin ihren Platz in der Kunstgeschichte
■ ist seit 2010 Kuratorin im Marcks-Haus. Das Foto zeigt jedoch Hanna Koschinsky.
taz: Frau Deseyve, mit Hanna Koschinsky stellen Sie auf der Empore des Marcks-Hauses eine nahezu vergessene Künstlerin aus. Was ist für Sie an Koschinskys Kunst vor allem erinnernswert?
Yvette Deseyve: Hanna Koschinsky war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts eine der führenden Bildhauerinnen in Paris, sie war tatsächlich Teil der Avantgarde und dachte auf eine Art über figürliche Formen nach, die so in Deutschland noch längst nicht möglich war.
Entspricht ihr Vergessenwerden dem typischen Trend, Künstlerinnen der frühen Moderne aus der Kunstgeschichte zu verdrängen, oder gab es speziellere Umstände?
In Paris war Koschinsky zunächst durchaus bekannt. Sie warf sich erfolgreich auf den Markt, stellte aus und pflegte enge Kontakte zu Kunstkritikern. Aber mit Beginn des Ersten Weltkrieges riss ihre Karriere jäh ab.
Weshalb?
Als gebürtige Deutsche musste sie Frankreich verlassen und zog sich zunächst nach Norwegen, später nach Breslau zurück. Am Puls der Zeit war sie dort nicht mehr.
Koschinskys Nachlass kam erst vor zwei Jahren ins Marcks-Haus, nachdem er jahrzehntelang familienintern gepflegt worden war. Wie kam es zu der Übernahme?
Hanna Koschinsky gehört derselben Generation wie Gerhard Marcks an – und sie ist die überhaupt erste Frau dieser Generation, deren Nachlass wir besitzen. Allerdings verfügen wir nur über knapp 50 Werke. Koschinsky konnte sich den Guss ihrer Arbeiten in Bronze oft nicht leisten, von vielen gab es also nur Gipse, die nicht sehr haltbar sind. Daneben hat sie allerdings mit dem damals gerade aufkommenden Steinguss experimentiert. Zement passt sehr gut zu Koschinskys überzeugender Suche nach vereinfachten Formen.INTERVIEW: HENNING BLEYL
Öffnungszeit am Donnerstag: 10 bis 21 Uhr