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Archiv-Artikel

Billige Prothese, teure Rechnung

Niedersächsische Gesundheitsbranche hat Kassen und Patienten um mehr als 16 Millionen Euro geprellt

HANNOVER ap/taz ■ Eine Untersuchungsgruppe niedersächsischer Krankenkassen hat in den vergangenen beiden Jahren fast 1.100 Fälle von Abrechnungsbetrug aufgedeckt. Dabei hätten Ärzte, Optiker oder andere Leistungserbringer mehr als 16,2 Millionen Euro zu Unrecht den Kassen in Rechnung gestellt, teilten gestern in Hannover AOK sowie Betriebs- und Innungskassen in Niedersachsen mit, die gemeinsam die Untersuchungsgruppe unterhalten. In den Jahren 2002 und 2003 verursachten die von der Gruppe aufgedeckten Betrügereien dagegen lediglich ein Gesamtschaden von 4,6 Millionen Euro.

Aus der höheren Schadenssumme könne man nicht auf einen entsprechenden Anstieg der Zahl der Falschabrechnungen schließen, betonte Brigitte Käser von der AOK Niedersachsen. Die Untersuchungsgruppe habe mittlerweile mehr Erfahrungen gesammelt und arbeite mit kriminalistischen Methoden. Vermutlich seien ihr 2004 und 2005 weniger Betrügereien entgangen als in den beiden Vorjahren.

Ein Großteil der Schadenssumme entstand nach Angaben der Kassen durch Betrügereien von Optikern. Von den 16,2 Millionen Euro Schaden entfielen allein 9,8 Millionen auf Brillen, bei denen Optiker gegenüber den Kassen teurere Gläser abrechneten als die tatsächlich eingesetzten. Häufig wurden die Krankenkassenermittler auch bei Sanitätshäusern fündig. Diese statteten Patienten etwa mit billigen Stützstrümpfen, Badehilfen oder auch Prothesen aus und rechneten die medizinisch vorgeschriebenen teureren Hilfsmittel mit den Kassen ab.

In rund 100 Fällen erstattete die Untersuchungsgruppe in den Jahren 2004 und 2005 auch Anzeige wegen Betruges. Manche Leistungserbringer hätten bei Falschabrechnungen leichtfertig Beeinträchtigungen der Gesundheit von Patienten in Kauf genommen, kritisierte der Vorstand der Innungskrankenkasse Niedersachsen, Wolfgang Krause. Ohnehin stehe jeder Euro, der durch Falschabrechnungen in dunklen Kanälen verschwinde, nicht mehr für die Behandlung kranker Menschen zur Verfügung.

Fälle von Abrechnungsbetrug hatten auch in anderen Bundesländern immer wieder Schlagzeilen gemacht. Bundesweit verursachen sie nach Schätzungen von Experten jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Die Justizbehörden kritisierten in der Vergangenheit wiederholt das Verhalten der Kassen, die nach Begleichung des Schadens oft von einer Strafanzeige absehen.