: Stöpsel entfernt
Florentino Pérez, Präsident von Real Madrid, tritt zurück – sein auf Superstars basierendes Konzept ist gescheitert
MADRID taz ■ Es war ein „mea culpa – mea maxima culpa“, als Real-Madrid-Präsident Florentino Pérez am Montagabend vor die Presse trat. „Ich habe die Spieler verzogen“, erklärte der 58-jährige Bau-Unternehmer und nahm nach fünfeinhalb Jahren an der Vereinsspitze seinen Hut – „unwiderruflich“. „Ich bin ein Stöpsel, der entfernt werden muss“, begründete Pérez seinen Schritt, von dem er hofft, er werde sich „positiv auf die Haltung der Spieler auswirken“.
„Zu erfolgsverwöhnt“ sei so mancher der Stars, erklärte Pérez, der sich – so die einhellige Meinung der Sportjournalisten – auf seiner letzten Pressekonferenz erstmals vom „unnahbaren Wesen zum normalen Menschen gewandelt“ habe. „Einige Spieler sind auf dem Holzweg.“ Er selbst habe die Schuld, denn er habe die Mannschaft zusammengestellt. Die Kraft, die Spieler wieder von ihrer „Verwirrung zu befreien“, habe er nicht.
Die Entscheidung zum Rücktritt traf der Vereinspräsident nach der 1:2-Niederlage am vergangenen Sonntag gegen RCD Mallorca. „Mir würde es gefallen, unsere Spieler würden ein Tor so feiern wie Mallorca“, so Pérez. Beim Spiel in Palma wurde überdeutlich, wie wenig Mannschaftsgeist bei den Weißen noch herrscht. Als Sergio Ramos das einzige Tor für Real Madrid erzielte, umarmte ihn kein Mitspieler, und die Kollegen auf der Ersatzbank blieben sitzen, „als hätte Mallorca das Tor geschossen“ – so Ramos nach dem Spiel.
Es war nicht der einzige Vorfall, der Pérez endgültig die Hoffnung für seine Elf verlieren ließ. In den letzten Wochen machten immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den Spielern Schlagzeilen. Zuletzt beschwerte sich Ronaldo am Vorabend des Champions-League-Achtelfinales, er werde von Fans und Kollegen nicht geliebt. Kapitän Raul wies den Brasilianer in aller Öffentlichkeit zurecht.
Pérez sei „das Opfer seiner Galaktischen“, titelte Spaniens Sportzeitung Marca gestern. Das Konzept der „Zidanes und Pavones“, Starspieler und Kicker aus dem eigenen Nachwuchs, für das der Präsident stand, sei gescheitert. Pérez kaufte einen Starspieler nach dem anderen. Figo, Zidane, Ronaldo, Beckham … Zum neuen, galaktischen Gesicht wollte nach Ansicht von Pérez der bodenständige Trainer Vicente del Bosque nicht mehr so recht passen. „Ein Zyklus ist zu Ende“, erklärte der Vorstand und entließ ihn vor knapp drei Jahren. Seither gewinnt die Mannschaft keinen Titel mehr.
Daran wird sich auch dieses Jahr nichts ändern. Nach der Niederlage in Mallorca ist Erzfeind FC Barcelona mit zehn Punkten Vorsprung unumstrittener Führer in der Primera División. Im Pokal ist Real Madrid ebenfalls gescheitert. In der Champions League sieht es auch nicht gut aus. Nach einer 0:1-Heimniederlage im Achtelfinale gegen Arsenal wird das Rückspiel in London alles andere als leicht. „Ich hoffe, dass meine Entscheidung noch in der laufenden Saison und in der kommenden Spielzeit eine Wende zum Besseren bewirkt“, gibt Pérez den Seinen mit auf den Weg.
Trotz des sportlichen Scheiterns lobt die Presse Pérez für seine wirtschaftliche Leistung als den „ersten modernen Präsidenten bei Real Madrid“. Er füllte die Bücher des Vereins dank des Verkaufs des Sportgeländes im Herzen der Hauptstadt. Ein neues Marketingkonzept tat ein Übriges. Unter Pérez wurde aus einem der am höchsten verschuldete Clubs Europas der reichste Verein der Welt.
Die Vereinsführung wählte in einer Krisensitzung einstimmig das Vorstandsmitglied Fernando Martín zum Nachfolger von Pérez. Dieser steht jetzt vor der schwierigen Aufgabe, die Mannschaft umzubauen.
REINER WANDLER