Banges Warten auf die „New York Times“

Mangels eigener Informationen über die BND-Affäre sieht das politische Berlin neuen Enthüllungen der US-Zeitung entgegen. Das Blatt verteidigt den Bericht zu deutscher Kooperation im Irakkrieg, Pentagon dementiert. Montag berät das PKG

AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN

Der Chefredakteur der New York Times, Bill Keller, hat sich vor seinen Militärredakteur Michael Gordon gestellt und dessen Bericht über die deutsche Kooperation im Irakkrieg 2003 rundum verteidigt. Gordons Bericht gebe getreu wieder, was er einer geheimen Studie des obersten Militärkommandos (United States Joint Forces Command) entnommen habe. Demnach hätten zwei deutsche Geheimdienstler im Februar 2003, einen Monat vor Beginn des Kriegs, von irakischen Quellen Saddam Husseins Verteidigungsplan erhalten. Von einem Verbindungsmann im Golfstaat Katar sei dieser Plan dem US-Militärgeheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) übergeben worden, der ihn dort ans Centcom, die Heeresleitung, weitergegeben habe.

Keller erklärte in Washington, Gordon werde noch weitere Artikel zum Thema schreiben. „Dann werden wir überlegen, ob wir Teile der Militärstudie auf unserer Website veröffentlichen.“

So wird die Aufklärung der Frage, wie die Rolle des BND im Irakkrieg aussah, gegenwärtig zur Sache der New York Times. Zwar haben mittlerweile verschiedene Sprecher des US-Verteidigungsministeriums die Linie der BND-Spitze und der Bundesregierung verstärkt. Die hatte am Montag erklärt, die „Behauptung“ in Gordons Bericht über den von Deutschen weitergereichten Verteidigungsplan sei „falsch“. So sagte auch Pentagonsprecher Bryan Whitman: „Ich kenne keinen Beleg, der die Behauptung stützt.“ Doch haben Geheimdienstexperten laut Medienberichten die Authentizität der Militärstudie bestätigt.

Sowohl Linksfraktion wie Grünenspitze sehen sich angesichts des Aufruhrs um den New-York-Times-Bericht in ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bestätigt. Linksfraktionschef Oskar Lafontaine sagte der taz, ein U-Ausschuss sei aus zwei Gründen Erfolg versprechend. „Erstens hat schon die Drohung des Ausschusses dazu geführt, dass immer neue Fakten bekannt wurden. Zweitens: Wer im Untersuchungsausschuss lügt, macht sich strafbar.“

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte, angesichts der weit reichenden Behauptungen und scharfen Dementis sei „Ruhe die erste Abgeordnetenpflicht“. Ein Ausschuss müsse herausfinden: „Welche Informationen sind weitergegeben worden, und wer wusste davon?“ Wenn man den Auftrag für den Ausschuss so allgemein formuliere, werde doch wohl auch die FDP zustimmen. Offenbar seien die Liberalen aber eher daran interessiert, „sich an der alten Regierung abzuarbeiten“.

Der FDP-Vorstand wird morgen zum U-Ausschuss beraten. Wie auch immer das Gremium entscheidet – Geheimdienstexperte Max Stadler bezweifelt, dass sich seine Partei mit den Grünen schnell auf einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag einigen kann. Bislang hätten die Grünen erklärt, sie wollten sich nur dem Bundesnachrichtendienst widmen – und nicht etwa der rot-grünen Regierungsverantwortlichkeit. „Das finde ich unangemessen, zumal wenn man es 2003 nicht einmal für nötig befand, die konkreten Auftrag an den BND schriftlich zu fixieren“, sagte Stadler.

Kommenden Montag wird zunächst das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) versuchen, sich ein Bild von den neuen Vorwürfen in der New York Times zu machen. Spätestens am Montag entscheidet die FDP-Fraktion, Dienstag die Grünen-Fraktion. Die Linksfraktion hat sich bereits geschlossen erklärt. Ob Grüne und Liberale alle ihre Abgeordneten auf Vorstandslinie bekommen, bleibt abzuwarten. Der Einberufung eines U-Ausschusses müssen 25 Prozent der Abgeordneten zustimmen.