Nicht aufhören, so zu leben

Christian, Spencer & Tim. Drei Namen, die für eine Institution stehen: den Karrera Klub. Das Konzept „Party und Konzert“ hat die drei DJs zur Indie-Größe unter Berlins Konzertveranstaltern gemacht

VON RENÉ HAMANN

Am Anfang waren sie einfach drei Indie-Fans: Christian, Tim und Spencer. Plattensammler, Plattenverkäufer, Gelegenheits-DJs. Im Plattenladen „Mr Dead & Mrs Free“ lernten sie sich über ihre Vorliebe zu Indie- und Britpop zwischen Blur und Oasis, Ash und den Zutons kennen. „Man kam ins Gespräch“, so nennt das Spencer, man besuchte sich auf Partys, half aus, lud sich ein – bis man beschloss, gemeinsam eine Reihe aufzuziehen. Schließlich galt es, eine Lücke zu schließen in der damals von Techno beherrschten Stadt. Im Sommer 1996 gründeten die drei den Karrera Klub.

Jetzt ist nur einer von ihnen in dem aufgeräumten „Indiebüro“ in der Reichenberger Straße in Kreuzberg. Die beiden anderen haben auswärts zu tun. Spencer, bürgerlich Stefan Theile, sitzt auf einem Drehstuhl, schaut immer mal wieder auf seinen Bildschirm – Mails checken –, hinter ihm an der Wand hängt der eigene Fanschal. Der Berliner seit 1995 erweist sich dann aber nicht nur als äußerst mitteilungsfreudig, sondern auch als allürenfrei. Sein Weg führte übers alte Huxley’s, in dem er schon als Student jobbte, und einer Konzertagentur in die Eigenständigkeit. Tim arbeitet nebenbei immer noch im „Mr Dead & Mrs Free“. Der Einzige aus dem Trio, der nicht von Haus aus mit Musik zu tun hatte, ist Christian. Tellerwäscher ist er nicht gewesen, seine Brötchen hat er in einem Autoteilegroßhandel verdient.

Mittlerweile können die drei mit der Vorliebe für alte Rennwagen gut von ihren Auftragsbüchern leben. Sie haben ihre Karrera-Klub-Dreifaltigkeit über die ganze Stadt ausgebreitet: Partys, Booking, Pressearbeit. Kaum ein Laden, den sie nicht schon bespaßt hätten. Sie haben Franz Ferdinand gebucht, 4.000 zahlende Gäste, zuletzt kamen die Test Icicles und Clap Your Hands Say Yeah. Und heute die Arctic Monkeys – seit Wochen ausverkauft. Es scheint fast so, als ob sie nur zu rufen bräuchten und die angesagten Bands von der Insel kommen gerannt.

Zum Mitschreiben: Beim Karrera Klub läuft es wie am Schnürchen. Das liegt vor allem an dem Konzept, das sie von Anfang an verfolgen: die Kombination Konzert und Party. Wenn Karrera Klub ist, kommen die Leute auch zu einer ziemlich unbekannten Band wie Tompaulin aus Schottland und füllen den Privatclub – weil sie wissen, dass die Karrera-DJs im Anschluss noch die Hits bringen. „Leider gibt es noch Plattenfirmen, die diese Möglichkeiten nicht sehen“, sagt Spencer dazu lapidar. „Die buchen ihre Bands an einem einsamen Dienstag statt mit Party am Freitag.“

Clevere Aufteilung, verschlafene Konkurrenz, das nötige Händchen und nicht zuletzt das eigene Engagement: So sieht die Erfolgsformel eines Unternehmens aus. Konkurrenzgehabe dagegen ist gar nicht ihr Ding. Die anderen mit hohen Summen auszustechen, das interessiert sie nicht. Der Trick ist das Feiern, und die „Partyschiene“, wie Spencer das nennt, funktioniert. Natürlich hatten sie auch Glück: Die Art von Musik, die der Karrera Klub repräsentiert, ist mittlerweile fast hegemonial geworden. Wer hätte noch 2000 gedacht, dass Gitarren wieder dermaßen schick werden könnten? Inzwischen sind Karrera-Partys wegen ihrer Fülle regelrecht berüchtigt – die Leute stapeln sich, ob im Kaffee Burger, im Mudd Club oder im Magnet. Aber nie vor ein Uhr nachts. Spencer will die Ausgeher jetzt erziehen – und den Eintritt vor zwölf billiger machen.

Und was ist bei dieser Massenabfertigung noch Indie? Das Persönliche, meint Spencer. An den Türen gebe es „keine Gesichtskontrolle“ und beim Auflegen bräuchte es die richtige Attitüde: „Man muss so einen Laden auch rocken wollen.“ Mit unsympathischen Leuten und Läden, mit allem, was nach überaltertem Mainstream müffelt, will der Karrera Klub nicht arbeiten. „Dann lieber weniger Geld verdienen“, sagt Spencer, „und dafür mehr Freiraum.“

Auch sonst wissen sie sich abzugrenzen, beispielsweise von der Elektronikszene. Sie legen CDs auf statt Vinyl. Vor Hits, falschen Übergängen oder doppelt gespielten Stücken haben sie keine Scheu. „Ich spreche vielen DJs das Künstlersein ab“, meint Spencer. „Viele Elektronikleute legen auch nur 08/15 auf. Den ganzen Abend ein Beat.“ Dass man als DJ seine Lieblingstracks durchdrücken wolle, sei klar, allerdings hat er die Erfahrung gemacht: „Die Leute wollen die Hits. Die wollen zu dem Kram abtanzen, den sie kennen.“

Mittlerweile beschäftigen die drei zwei weitere junge Leute in ihrem Büro. Und einen weiteren DJ. Der Klub expandiert über die Grenzen Berlins hinaus, nach Frankfurt am Main und Hamburg. „Privatleben gibt’s da nicht“, meint Spencer und grinst. Sein Leben findet fast ausschließlich im Büro und im Nachtleben statt. Ein Problem scheint er damit nicht zu haben. Im Gegenteil: Er will nicht aufhören, so zu leben. Schließlich macht er das, was er immer schon machen wollte. Und verdient Geld damit. Was für Spencer kein Grund ist. sich zurückzulehnen: „Wenn man glaubt, es wird zum Selbstläufer, läuft es irgendwann aus“, weiß er. „Das Ziel muss immer sein, mindestens den Standard des Vorjahres zu halten.“

Im Sommer, pünktlich zum Zehnjährigen, steht der nächste Schritt an: der eigene Laden. Befinden wird er sich nebenan in Kreuzberg, in der ehemaligen Probebühne der Schaubühne. Ein Ort für Konzerte, ein Ort für Partys – der Karrera Klub geht dann zum Feiern nur noch zu sich nach Hause. Ein sinnfälliger Schritt für eine Institution.

Der Monatsflyer mit allen Karrera-Klub-Veranstaltungen liegt in gut sortierten Klubs, Plattenläden und Bars aus. Mehr Infos unter www.karreraklub.de,morgen im Bastard: Indie Pop Disco mit DJs Christian & Spencer; live: The Fight