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Archiv-Artikel

Intelligenter Fußball Besuch beim WM-Favoriten

Der Teamchef verstrahlt Optimismus, so kennt man das, so muss es sein. „Wir sind natürlich in der Favoritenrolle“, sagt er und man glaubt ihm sogar. Denn Matthias Jüngel ist Chef des Aibo Team Humboldt, das zwei Mal in Folge den Weltmeistertitel im Roboterfußball geholt hat. Im Juni will Jüngel mit seinen Roboterhunden den Hattrick schaffen, wenn der RoboCup parallel zur Fifa-WM in Bremen stattfindet.

Es ist Mittwochabend. Fußball liegt in der Luft. Gleich wird Deutschland in Italien untergehen. So wie Hertha BSC seit Wochen in jedem Spiel. Doch Matthias Jüngel lässt hoffen. „Künstliche Intelligenz und Fußball“, heißt die Veranstaltung im Foyer der Humboldt-Uni. Jüngel hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2050 will er eine Mannschaft mit humanoiden Robotern aufs Feld schicken, um damit ein menschliches Team von Weltrang vom Platz zu fegen.

Noch eiern seine kickenden Kybernetik-Köter ziemlich ziellos auf dem Platz herum. Jüngel nennt das „autonomes Agieren“. Ein Begriff wie aus der Rhetorikschule Jürgen Klinsmanns.

Überhaupt: Obwohl die Fußball-Robotik noch in den F-Jugend-Schuhen steckt, sind die Parallelen zum menschlichen Profigeschäft schon jetzt erstaunlich. Einmal auf dem Platz, neigt das Humboldt-Team dazu, strategische Absprachen zu ignorieren. Die Hunde sind eigentlich aufs Flügelspiel programmiert, trotzdem versuchen sie es immer wieder über das Mittelfeld. Wem kommt das nicht bekannt vor?

Wie Klinsmann musste sich auch Jüngel lange mit der Torwartfrage herumschlagen. „Wir hatten einen heftigen Streit über den Aktionsradius unseres Torwarts“, sagt Jüngel. „Am Anfang ist er immer recht ungestüm aus dem Kasten gestürmt, jetzt haben wir ihn etwas defensiver programmiert.“ Obwohl der HU-Infomatiker um seinen Keeper in aller Welt beneidet wird, leistete sich der ansonsten verlässliche Schlussmann bei einem wichtigen Länderspiel vor wenigen Jahren einen argen Patzer und ließ einen eigentlich haltbaren Ball wie paralysiert passieren. Kahn ja mal passieren.

Nicht zuletzt eint Roboter und Mensch die Neigung zu einer Spielweise, die mit Rumpelfußball fast unzureichend beschrieben ist. Nur: Im Gegensatz zu den Teams von Jürgen Klinsmann oder Falko Götz, die sich immer wieder in dieser Disziplin gefallen, ist Matthias Jüngel mit seiner Mannschaft ja erfolgreich.

Michael Preetz – Herthas vielleicht wichtigster Mann der Zukunft – hätte hier viel lernen können. Etwa wie man mit simplen Software-Updates die indisponierten Spieler wieder auf Linie bringt. Doch anders als angekündigt, konnte er nicht mit den vier Podiumsgästen aus dem akademischen Milieu diskutieren. Preetz musste zur Krisensitzung im Verein.

Die Hauptthese des Abends hätte ihm sicherlich gefallen. Die Akademiker waren sich so verdammt einig, dass sie alle immer wieder und mit Nachdruck betonten: „Fußball ist eine viel komplexere Angelegenheit als Schach.“

TORSTEN GELLNER