„Oft bleibt für die Frau kein Pfennig“

Der Verein Ban Ying unterstützt und berät Opfer von Frauenhandel. Und er kritisiert die Rechtslage: Restriktive Einreisebestimmungen verschaffen Schleusern die Arbeitsgrundlage. Aussagewillige bekommen zu wenig Schutz

„Man erwartet viel von den Frauen und gibt ihnen nichts zurück“

Im Vorfeld des Männerfestivals Fußball-WM wird zunehmend über Zwangsprostitution und Frauenhandel debattiert. Doch die Diskussion sei durch viele Missverständnisse geprägt, sagt Ban-Ying-Koordinatorin Nivedita Prasad. So werde oft behauptet, „dass es den Frauen dort, wo sie herkämen, so schlecht ginge, dass sie froh sein können, hier zu sein“. Das sei aber genauso falsch wie die Vorstellung, dass mehr Grenzkontrollen, die die Migration eindämmen sollen, den Menschenhandel verhinderten. „Drittens gibt es Leute, die glauben, wenn man Prostitution bekämpfe, bekämpfe man automatisch auch Menschenhandel.“

Dass Frauen erzwungenermaßen in die Prostitution geraten, führen MenschenrechtlerInnen auf die negativen Folgen der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklungen zurück. Der Prozess werde aber durch restriktive Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen der westlichen Länder noch verstärkt. Die verschaffen Schleusern erst die Arbeitsgrundlage. Denn Menschen aus ärmeren Regionen, die ihre Heimat auf der Suche nach Arbeit und Auskommen verlassen, lassen sich von Einreisegesetzen reicher Länder nicht abhalten.

Die Schleuser stellen den Frauen, einmal hier angekommen, hohe Summen für die Überführung in Rechnung, die diese nun abzuarbeiten haben. Erfahrungswerte liegen bei 15.000 Euro für asiatische Frauen und 3.500 bis 4.000 Euro für Osteuropäerinnen. Da die Frauen jedoch illegal im Land sind, bietet der Schleuser der Frau nun Rahmenbedingungen an, unter denen sie dem einzigen Gewerbe, das ihr aufgrund der Ausländergesetze offen steht, nachgehen kann, um die Schulden zurückzubezahlen. Wobei „anbieten“ schöngeredet ist. Da die Frau ohnehin meist kein Deutsch spricht, sorgt der Schleuser für die einschlägigen Anzeigen, er stellt den Kontakt zu den Freiern her, organisiert Unterkunft und Fahrservice, der die Frau zu den Kunden bringt. Und er diktiert, was sie für diesen Service zu entrichten hat.

Eine einigermaßen akzeptable Aufteilung der Einnahmen sehen die Frauen von Ban Ying, wenn die Prostituierte etwa 60 Prozent des Verdiensts behalten könnte. „Oft bleibt für die Frau aber kein Pfennig. Der Zuhälter kassiert ab“, berichtet Prasad. Zudem wird physische Gewalt gegen die Frauen eingesetzt. Das bestätigt das Bundeskriminalamt in „Bundeslagebild Menschenhandel 2004“ für etwa 50 Prozent der zur Anzeige gekommenen Fälle.

Ban Ying unterstützt Opfer von Menschenhandel, die bereit sind, vor Gericht auszusagen. Dabei übt der Verein große Kritik an der deutschen Gesetzgebung. Frauen nämlich, die nicht in einem Prozess aussagen, müssen ausreisen oder sie kommen in Abschiebehaft. Sind sie bereit auszusagen, werden sie für die Dauer des Prozesses geduldet, müssen aber danach ausreisen. Ein Zeugenschutzprogramm hilft ihnen, solange sie hier sind, aber in ihrem Heimatland schützt sie niemand mehr. „Man erwartet viel von den Frauen und gibt ihnen nichts zurück“, sagt Prasad. „Und dies, obwohl die Verletzung des Menschenrechts in Deutschland stattgefunden hat.“

Anders als Deutschland hat Italien eine fortschrittliche Regelung. Sie verspricht Opfern von Menschenhandel, diese und deren Kinder zu schützen, bittet sie im Gegenzug jedoch, gegen die Menschenhändler auszusagen. Wenn die Opfer nicht aussagen, könnten sie theoretisch zwar in Beugehaft genommen werden, aber sie werden nicht abgeschoben. Seit Jahren fordern die Projekte die Einführung dieser Regelung auch in Deutschland. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch unterstützt diese Forderung, wie er auf einer Veranstaltung im November deutlich machte. Denn die Ermittlungsbehörden haben ein Interesse daran, dass Frauen aussagen. Seit die großzügigere Regelung in Italien in Kraft ist, hat sich die Aussagebereitschaft der Frauen dort verzehnfacht.

WALTRAUD SCHWAB