: „Nicht nachgewiesen“
PROZESS Vier Angeklagte sollen trotz Lieferembargo technisches Zubehör in den Iran exportiert haben
■ 35, ist Doktorand im Fach Islamwissenschaft an der Uni Hamburg und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Giga-Institut.
taz: Herr Borszik, sind Exporte aus Deutschland in den Iran über Tarnfirmen ein Einzelfall? Oliver Borszik: Nein. Die Revolutionsgarden haben etliche Tarnfirmen gegründet, um die nationale Wirtschaft anzukurbeln und um das Nuklearprogramm weiter zu entwickeln. Teilen Sie die Befürchtung, dass der Reaktor in Arak, für den die exportierten Ventile laut Anklage bestimmt waren, atomwaffenfähiges Plutonium produzieren wird? Bis heute kann nicht nachgewiesen werden, ob Urananreicherung dem Zweck der Herstellung von Nuklearwaffen letztlich dienen. Wie ist Ihre Einschätzung: Will der Iran Nuklearwaffen oder nicht? Ich denke nicht. Der Iran fühlt sich zwar umstellt von Feinden, sagt aber, dass die Herstellung und Anwendung von nuklearen Massenvernichtungswaffen gegen islamische Regeln verstößt. Er sieht seine Stärke vielmehr darin, sich wissenschaftlich-technologisch zu entwickeln. So will er dem Club der Nuklearmächte beitreten, indem er über das Wissen und die Technik verfügt – aber ohne tatsächlich Nuklearwaffen zu bauen. Allein die Vormachtstellung soll auf Feinde abschreckend wirken. Letzte Sicherheit hat man allerdings nie. Warum geht der Westen trotzdem so hart gegen den Iran vor? Der Iran ist deshalb so in den internationalen Fokus gerückt, weil das Nuklearprogramm Teil eines anti-westlichen Revolutionsprojekts ist, das der Iran seit 1979 betreibt. Es gibt kaum Regierungen, die mehr Vorbehalte gegeneinander haben, als die USA und der Iran. Da die USA treibende Kraft im internationalen Sanktionsregime ist, machen sie den Fall immer wieder so brisant. Also geht es eigentlich um die unterschiedlichen politischen Kurse und gar nicht um das Nuklearprogramm? Ja. Die iranische Führung wirft dem Westen vor, dass es ihm nur darum gehe, die Bevölkerung gegen das Regime aufzuhetzen und somit das Revolutionsprojekt zu beenden. Glauben Sie, dass die Atompolitik unter dem neuen Präsidenten Rohani transparenter wird? Es wird auf jeden Fall eine neue Gesprächsatmosphäre geben. Er steht jetzt vor einem Balance-Akt: Einerseits will er das Nuklearprogramm erhalten – und andererseits den Westen überzeugen, die Sanktionen Stück für Stück runterzufahren. INTERVIEW: MIRIAM KERN
Prozessauftakt: 9.00 Uhr, Saal 237, Hanseatisches Oberlandesgericht, Sievekingplatz 3