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Archiv-Artikel

AMERICAN PIESchrulliges Komitee

College-Basketball: Eine Einführung in die Wissenschaft der Bracketology

„March Madness“, so wird das jährlich stattfindende Turnier des US-amerikanischen College-Basketballs genannt. Es wird ab morgen bis zum 5. April in den großen Uni-Hallen Nordamerikas ausgetragen. In der Tat, an diesem gigantischen Mammut-Turnier, zu dem die besten 64 Mannschaften der Saison zugelassen sind, ist schon einiges verrückt – oder besser: für europäische Standards unüblich. Allein die Tatsache, wie es zur Auswahl der Teams kommt, ist so eine verrückte Sache. Sie wird wie ein Ritual zelebriert: Zehn ausgewählte Juroren des Selection Committee schließen sich vier Tage lang in einem Hotel ein. Mit sich führen sie Statistiken und Tabellen – und ihre verschiedenen Ansichten. Sie rechnen, grübeln, diskutieren. Wie es die Tradition will, treten sie am letzten Sonntag vor Turnierbeginn – am Selection Sunday – vor die Presse und verkünden schließlich, welche Teams das Rennen gemacht haben. Damit wird das Bracket bekannt gegeben, der Spielplan des Turniers. Das wird von allen mit großer Spannung erwartet, denn schließlich ist die ganze Veranstaltung ein K.-o.-Turnier: Jedes Spiel ist entscheidend.

Nun kann man sich fragen: Warum das ganze Theater? Kann man nicht einfach auf die Tabelle der College-Ligen schauen und die 16 besten Mannschaften aus Nord, Süd, Ost und West zum Turnier einladen? Vielleicht haben wir es hier mit einem Aspekt des viel beschriebenen American Way zu tun. Denn welches Team es in die Endrunde schafft, hat eben nicht nur mit der Platzierung in der Liga zu tun. Es sind auch andere Faktoren ausschlaggebend: Wie hat sich das jeweilige Team gegen vermeintlich schlechtere Gegner geschlagen? Wie gegen bessere? Wie sieht es nach der langen Saison in dem jeweiligen Team aus? Welche Spieler sind verletzt und wie wurden die letzten Saisonspiele bestritten? Alles Fragen, über die man wunderbar diskutieren kann. Dieser Auswahlprozess ist also eine Wissenschaft für sich. Deswegen wird in Nordamerika zu Recht von Bracketology gesprochen.

Und auch in diesem Jahr gibt es einige Überraschungen: Im March-Madness-Turnier fehlen fünf große Namen des College-Basketballs. Mit North Carolina, Connecticut, UCLA, Arizona und Indiana haben es vermeintlich sicher gesetzte Teams nicht in die Endrunde geschafft. Nach Ansicht der Juroren, von denen mit Dan Guerrero (Sportdirektor der UCLA) und Jeff Hathaway (Sportdirektor der University of Connecticut) zwei „betroffene“ Vertreter an der Auswahl beteiligt waren, haben es diese Teams einfach nicht verdient. North Carolina zum Beispiel, Meister des letzten Jahres, die College-Truppe schlechthin, hat mit einer Bilanz von 16 Siegen und ebenso vielen Niederlagen nicht überzeugen können. Auch Connecticut hat durch die Verletzung ihres Starspielers Hasheem Thabeet einige Niederlagen hinnehmen müssen.

Hingegen überzeugen konnte das Team um den deutschen Nationalspieler Elias Harris: Die Gonzaga Bulldogs haben es in die Endauswahl geschafft und sind im Westen auf Platz 8 gesetzt. Nun treten sie gegen die auf Platz 9 gesetzte Florida State an. Sollte Harris’ Team weiterkommen, würden sie in Runde zwei auf die Mannschaft aus Syracuse treffen, die an Nummer 1 im Westen gesetzt sind. Dann hätten man ein klassisches David-gegen-Goliath-Szenario, das das ganze Turnier erst so richtig spannend macht: Hier kann alles passieren, es gelten die Regeln des Pokals.

ALEKSANDAR ZIVANOVIC