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Archiv-Artikel

„Entschädigungen stehen an“

KATHOLIKEN Der Kirchenexperte der Grünen, Josef Winkler, fordert von den deutschen Bischöfen Taten. Als Kirchenmitglied erwarte er konsequentes Handeln, sagt das Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken

Josef Winkler

■ 35, ist Bundestagsabgeordneter für die Grünen und Sprecher für Kirchenpolitik und interreligiösen Dialog seiner Fraktion. Er ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

taz: Herr Winkler, die „Initiative Kirche von unten“ (IKvu) warf Ihnen in der taz vor, mit den CDU-Bundesministerinnen Annette Schavan und Kristina Schröder zu einem Netzwerk der Bischöfe zu gehören, das einen runden Tisch nur zu den Missbrauchsfällen der katholischen Kirche verhindern wolle – nach dem Motto: „Bischofsschutz statt Opferschutz“. Sind Sie empört darüber?

Josef Winkler: Es zeigt nur, wie isoliert die IKvu ist. Bei einem Gespräch mit denen war man ganz empört, dass ich mich nicht mit aller Gewalt auf die Bischöfe stürzen wollte, sondern ich sagte, ich wolle erst einmal abwarten, was die beschließen.

Sie sind einerseits kirchenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, andererseits Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken – haben Sie manchmal das Gefühl, einen Spagat machen zu müssen?

Ich bin ja im ZdK nicht in einem Papst-Fanclub, der völlig kritiklos jede Regung des Vatikans oder der Bischofskonferenz hinnimmt. Nein, wer sich damit auskennt, weiß, dass das ZdK auch immer wieder in Konflikt mit den Bischöfen gerät.

Schon vor knapp einem Monat haben Sie die Bischöfe aufgefordert, eine vollständige Aufklärung der Missbrauchsfälle in Angriff zu nehmen. Sind Sie mit dem Eifer der Bischöfe zur Aufklärung zufrieden?

Das, was die Bischöfe verabschiedet haben, finde ich zunächst einmal erfreulich. Sie haben Selbstkritik geübt und eine Überprüfung der „Leitlinien“ gegen Missbrauch samt einer externen Beratung auch mit Opferorganisationen bis zum Sommer beschlossen. Es wurde um Entschuldigung gebeten. Die Frage ist, ob man das für glaubwürdig hält. Ich tue das.

Sie haben die Entschuldigung der deutschen Bischöfe angesprochen. Fehlt Ihnen da noch eine öffentliche Entschuldigung des Papstes?

Ob sie mir fehlt, spielt keine Rolle, aber die Opfer erwarten sie vom Kirchenoberhaupt.

Halten Sie die jüngsten Aussagen der meisten deutschen Bischöfe für schlüssig, die Missbräuche hätten nichts mit dem Zölibat zu tun?

Das Gegenteil ist auch nicht zu beweisen. Aber man kann es nicht monokausal angehen. Manche Bischöfe räumen allerdings ein, dass der Priesterberuf zum Teil sexuell verklemmte Männer anlockt – unter Umständen auch solche mit krankhaften Neigungen. Da gilt es, wie angekündigt, nun genauer hinzusehen. Hier müssen den Worten Taten folgen. Die Erschütterung darüber ist schon enorm, was in unserer Kirche vorgefallen ist. Wir erwarten als Kirchenmitglieder, dass glaubwürdig und konsequent gehandelt wird.

Sollte die Kirche in Deutschland schon einmal Geld für Entschädigungszahlungen an die Missbrauchsopfer zurücklegen? In den USA sind ja ganze Bistümer pleitegegangen, weil sie am Ende viel Geld an die Opfer zahlen mussten.

Entschädigungen sind nichts Extravagantes, sondern das Normale, das ansteht. Ich bin jedenfalls bereit, über meine Kirchensteuer mein Scherflein beizutragen. Es ist geradezu eine christliche Verpflichtung, den Schaden wieder gutzumachen. Die Entschädigung muss auch materieller Art sein. Da muss die Kirche schnell handeln.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER