„Das sieht man mit gemischten Gefühlen“

Ver.di-Landeschefin Gabriele Schmidt über den Nebenkriegsschauplatz NRW und die Ausweitung des Streiks

taz: Frau Schmidt, in Süddeutschland geht der Streik in die fünfte Woche, NRW ist nur ein Nebenkriegsschauplatz. Ist das nicht ein blödes Gefühl für Sie als Ver.di-Landeschefin?Gabriele Schmidt: Ja, das sieht man mit gemischten Gefühlen. Aber dass wir nicht streiken, liegt halt daran, dass die kommunalen Arbeitgeber in NRW den Tarifvertrag bislang nicht gekündigt haben.

War das ein geschickter Schachzug der Arbeitgeber, das größte Bundesland erstmal außen vor zu lassen?

Dass es taktische Überlegungen sind, kann man nur vermuten. Offensichtlich fürchten die kommunalen Arbeitgeber die starke Kampfkraft und hohe Motivation der Ver.di-Kolleginnen und -Kollegen in Nordrhein-Westfalen.

Rechnen Sie damit, dass die kommunalen Arbeitgeber den Tarifvertrag noch kündigen?

Es wird in dieser Woche unsere NRW-Tarifkommission zusammenkommen. Wir werden unserem Entscheidungsgremium empfehlen, dass weitere Gespräche keinen Sinn mehr machen. Dann ist eine Kündigung wahrscheinlich, denn die Arbeitgeber müssen sich ja irgendwie dazu verhalten.

Der letzte Streik im öffentlichen Dienst war deutlich kürzer. Heute ist das anders: Geht Ver.di nach wochenlangem Streik in Süddeutschland so langsam die Luft aus?

Nein, das droht nicht. Wir haben eine ausgeprägte Streikbereitschaft. Das haben auch die Kundgebungen hier in NRW gezeigt mit tausenden Teilnehmern. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind entschlossen, die 40-Stunden-Woche zu verhindern.

Gegen die kommunalen Arbeitgeber dürfen Sie noch nicht streiken, gegen das Land NRW könnten Sie es, tun es aber kaum. Warum?

Es wird da eine Ausweitung geben. Bei ausgewählten Landesbetrieben laufen die Streikvorbereitungen. In dieser Woche beginnt die Urababstimmung bei den Rechenzentren des Landes Nordrhein-Westfalen.

Liegt die Zurückhaltung daran, dass Ver.di bei den Landesbeschäftigten nicht mehr so stark verankert ist wie früher? Stimmt es, dass Sie innerhalb der NRW-Verwaltung nur einen Organisationsgrad von 30 Prozent haben?

Die Organisationsstärke ist von Landesbetrieb zu Landesbetrieb und von Behörde zu Behörde unterschiedlich. Wir sind stark: im kommunalen Bereich sicherlich noch stärker als bei den NRW-Beschäftigten. Aber wir sind schon traditionell absolut streikfähig in diesem Bundesland.

Wie lang geht der Streik?

Das kann ich nicht sagen. Bei der Streikplanung gehen wir zur Zeit nicht von einzelnen Tagen aus, sondern planen für Wochen. Die Streikdauer hängt von der Kompromissbereitschaft der Arbeitgeber ab.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER