: Der kleine Kick der großen Worte
Der Turnschuhkonzern Nike lässt Jugendliche in einer Fabriketage zum Fußballturnier antreten. Hier muss der Ball in kleine Kisten – und die Werbebotschaft in die Köpfe
Die Fabriketage in der Wiebestraße in Moabit ist fraglos ein ungewöhnlicher Ort für ein Fußballturnier. Ansonsten fällt einem hier zuerst nichts Besonderes auf. Es spielen Begabte und Minderbemittelte, Ehrgeizige und Mitläufer, unbeherrschte und spaßbetonte Menschen.
Doch der Sportartikelhersteller Nike, der dieses Turnier im Rahmen der größten Eventserie seiner Firmengeschichte organisiert hat, ist hier dabei, eine andere Wirklichkeit zu etablieren, eine mehr Aufmerksamkeit erregende. So hat man den gewöhnlichen Backsteinbau in Moabit zum „echt abgefahrenen Gebäude“ erklärt, zu einem „Nike Temple of Football“.
Gewiss nicht zufällig, denn hier werden tatsächlich Botschaften verkündet. Die wichtigste ist in der Sprache der Fußballästheten, der Brasilianer, verfasst und dient zugleich als Titel der Turnierserie: „Joga Bonito“, was so viel bedeutet wie „Spiel schön“.
Wie man derzeit nämlich in TV-Spots erfahren kann, ist Nike über den allgemeinen Zustand des Fußballs bekümmert, über zu viel Taktiererei und zu harten Einsatz. Deshalb erinnert im Namen der Firma der ehemalige französische Nationalspieler Eric Cantona die Welt daran, worum es eigentlich geht: Technik, Herz und Ehre, Freude und team spirit. Beim Berliner Turnier sind die Banden, welche die drei Spielfelder begrenzen, mit diesen Kernbotschaften beschriftet. T-Shirts hat man ebenfalls damit bedruckt. Viele Teilnehmer tragen somit eines der Schlüsselwörter inklusive das Nike Logo zur Schau.
Die drei Jungs aus Kreuzberg, die derzeit in der Gesamtwertung der Unter-16-Jährigen den zweiten Platz einnehmen, haben sich für das Hemd mit der Aufschrift „honour“, zu Deutsch „Ehre“, entschieden. Sie trachten nach dem Hauptpreis, einer einwöchigen Reise nach Brasilien. Im Klinsmann-Jargon erklärt der 15- jährige Palästinenser Mohammed Alsaid, man müsse für das große Ziel Schritt für Schritt vorangehen. Erst hier den bis zum 28. April andauernden Wettkampf gewinnen, danach das Finalturnier gegen die Sieger aus Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Doch wichtig sei stets die ausschließliche Konzentration auf die nächste Partie.
Gespielt wird drei gegen drei, drei Minuten lang, auf einem 20 mal 9 Meter großen Feld. Die Tore sind so groß wie Umzugskisten. Die Teilnehmer sollen höchstens 23 Jahre alt sein. Seit 16. Februar werden gewissenhaft Tages- und Wochensieger ermittelt. Der Verantwortliche vor Ort, Giudo Pomplun schätzt, dass täglich bis zu 200 Jugendliche kommen. Er verweist darauf, dass sich diese abseits des sportlichen Geschehens entweder in der Chill-out-Area (einem Raum mit Sofas) oder in der Interactive Zone (einem Platz für zwei Tischkicker) aufhalten können.
Pomplun redet über das Äußere, Sichtbare. Über das Inhaltliche, die allgegenwärtigen Kernbotschaften, darf er nichts sagen. Er arbeite für eine von Nike beauftragte Event-Agentur und sei nicht befugt, über Inhaltliches zu sprechen, sagt er. Zur Sicherheit hatte zuvor schon ein Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation angerufen und mitgeteilt, Herr Pomplun sei für das Unternehmen nicht „zitabel“. Für Nachfragen hat er direkt weiter an den Sprecher von Nike Deutschland, Olaf Markhoff, verwiesen. Außendarstellung ist Chefsache.
Dabei erzählt Markhoff hauptsächlich nur das, was ohnehin schon bekannt ist. In arglosem Werbedeutsch teilt er wenig Überraschendes mit: „Wir wollen durch unsere Kampagne mit der Jugend kommunizieren.“
Gerade im WM-Jahr will man in der Öffentlichkeitsarbeit nichts anbrennen lassen. Börsenanalysten gehen davon aus, dass keine Branche so von dem Großereignis profitieren wird wie die Sportartikelhersteller. Es wird mit einem durchschnittlichen Wachstum von 3,2 Prozent gerechnet. Jeder möchte ein möglichst großes Stück davon abhaben. Die Konkurrenten Adidas und Puma haben ebenfalls Marketingkampagnen in noch nie da gewesener Größenordnung initiiert. JOHANNES KOPP