: Sein größter Fehler
In einem Interview mit der türkischen Zeitung „Hürriyet“ bedauert „Bild“-Chef Kai Diekmann seine Penis-Klage
Was deutsche Leser bislang nicht wissen durften, erfuhren gestern exklusiv die Konsumenten der größten türkischen Tageszeitung Hürriyet: „Der Prozess gegen die taz war der größte Fehler meines Lebens.“ Auf einer Doppelseite in der Sonntagsausgabe des Boulevardblatts ließ sich Diekmann von der bekannten Klatschkolumnistin Ayse Arman vorführen. Diekmann (zu Arman: „Sie sind ja die türkische Variante meiner Frau Katia“) ließ sich auf dem Bett zu seinem Leben, seinen Erfolgen und eben seinem größten Fehler befragen. Ausführlich schildert er die Gemeinheit der taz, ihm eine Penisverlängerungsoperation in Florida anzudichten, als ernsthafte Nachricht wohlgemerkt. Das fand er gar nicht lustig. Seine Anwälte drängten ihn damals zu klagen, ein Desaster, meint Diekmann im Nachhinein. „Zeitungen aus ganz Europa kamen zu dem Prozess, ich wurde überall zum Gespött.“
Mit dem Schadenersatz habe er eigentlich vorgehabt, sich als Aktionär bei der „kleinen linken Zeitung“, die ihm diesen Tort angetan hatte, einzukaufen, um den Laden dann von innen aufzumischen. Doch der Richter enttäuschte ihn schwer. Mit dem Argument, angesichts der Hammernachrichten, die Bild immer mal wieder auf Lager habe, müsse er sich eine solche Geschichte schon mal gefallen lassen, lehnt er eine Entschädigung für Diekmann ab. „Die sehen mich gar nicht als Mensch, sondern nur als Bild-Chef“, klagt er.
Genüsslich berichtet Diekmann dann, wie diese „kleine linke Zeitung“ ihm unverhofft dann doch noch die Gelegenheit bot, Rache zu nehmen. „Ich durfte als Chefredakteur die Jubiläumsausgabe zum 25. Geburtstag dieser Zeitung machen“, erzählt er noch heute ganz begeistert, die Leser der taz hatten ihn zum Lieblingsfeind gewählt. Dass er damals der taz ein doppelseitiges Interview mit Helmut Kohl („deren Lieblingsfeind“) über den Niedergang der Linken aufs Auge drücken konnte, hält er immer noch für einen seiner besten Coups. Was die tazler am meisten geärgert habe, glaubt Diekmann, war der kommerzielle Erfolg seiner Jubiläumsnummer: „Das war die bestverkaufte Nummer, die die taz je hatte.“
Die Homestory über den „sympathischen“ Kai Diekmann in Hürriyet ist indes nicht zustande gekommen, damit er mal unbeschwert über seinen größten Fehler plaudern konnte. Diekmann ist seit einiger Zeit im Aufsichtsrat der Dogan-Holding, des größten Pressekonzerns der Türkei, dessen Flaggschiff Hürriyet ist. Seitdem pflegen Bild und Hürriyet eine enge freundschaftliche Zusammenarbeit, die sich erst jüngst in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Chefredakteure während des Karikaturenstreits niedergeschlagen hat. Diekmann berichtet allerdings auch von anderen Kooperationen: „Wenn Hürriyet ein Interview mit Putin macht, fragen die dann auch mal nach Schröders Adoptivtochter und geben uns dann Bescheid. Das Gleiche tun wir, wenn wir was über die neue Geliebte von Kohl haben.“ JÜRGEN GOTTSCHLICH