: „Ein Kuhhandel, kein Parlamentsbeschluss“
Grünen-Politiker Wolfgang Wieland über die Macht des Bundestages beim Aufschnüren der Föderalismusreform
taz: Herr Wieland, heute ist der entscheidende Tag für die Staatsreform, die die Zuständigkeiten von Bund und Ländern neu regelt, oder?
Wolfgang Wieland: Das ist er ganz sicherlich noch nicht.
Aber heute beraten Parteigremien, Bundeskabinett und die Ministerpräsidenten über die Föderalismusreform.
Gesetze macht nicht die Exekutive, sondern der Gesetzgeber. Das ist der Bundestag. Die Länder wirken über den Bundesrat mit.
Warum weisen Sie darauf hin?
Die große Koalition konfrontiert das Parlament mit der Vorstellung, dass es einfach absegnet, was Parteichefs ausgehandelt haben. Ein Kuhhandel ist aber kein Parlamentsbeschluss.
Was wollen Sie tun? Die Grünen haben weder eine Parlamentsmehrheit noch regieren sie in einem Land mit.
In vielen Punkten finden auch Politiker von SPD und Union den Kompromiss falsch, bis hin zu Umweltminister Gabriel von der SPD, der die Neuregelung bei der Umweltgesetzgebung kritisiert hat. Noch mal: Das Parlament macht die Gesetze.
Ist das nicht gerade das Gute an der Reform? Künftig sollen ja Bundestag und Landtage mehr zu sagen haben, weil die Zuständigkeiten geklärt sind. Partei-Kungelrunden werden dann vielleicht unwichtiger.
Das war das erstrebenswerte Ziel: Eine Rückbesinnung auf die Frage, wo die Länder wirklich mitwirken müssen und wo die Zuständigkeiten entwirrt werden können. Ich fürchte aber, wir bekommen einen neuen Kompetenzwirrwarr. Zum Beispiel im Umweltrecht: Der Bund macht die Gesetze, aber die Länder können einfach abweichende Gesetze beschließen. Die Länder haben sich für Zustimmungsrechte im Bundesrat, die sie abgetreten haben, Kompetenzen vom Bund geben lassen – wie auf dem Basar.
Eine neue Länderzuständigkeit soll der Strafvollzug werden. Wieso wollen die Länder das haben?
Das Bundeskriminalamt hat mehr Kompetenzen bekommen, dafür wollten die Länder den Strafvollzug. Die Gefahr ist nun, dass die Länder einen Wettlauf veranstalten. Motto: Wer hat den härtesten Strafvollzug Deutschlands? Aber es wird im Rechtsausschuss des Bundestags eine satte Mehrheit dagegen geben.
Auch das Versammlungsrecht soll Ländersache werden. Versuchen Sie, auch dagegen eine Mehrheit zu organisieren?
Ja. Es ist doch unsinnig, wenn bei bundesweiten Demonstrationen der Teilnehmer erst nachlesen muss, welches Recht in dem Land gilt, in das er sich begibt.
Dafür soll die Terrorismusabwehr effektiver werden, indem das BKA mehr darf. Gefällt Ihnen das?
Nein. Das BKA hat genug Zuständigkeiten. Jetzt besteht die Gefahr, dass die Grundidee der Machtbalance und der Machtbegrenzung aufgeben wird.
Herr Wieland, haben Sie sich schon mal machtloser gefühlt als bei dieser Reform?
Fragen Sie mich am Ende des Prozesses noch mal. Wir sind kampfesmutig.
INTERVIEW: GEORG LÖWISCH