: Reform des Staates
BERLIN taz/dpa ■ Heute treffen sich das Bundeskabinett, die Ministerpräsidenten und die Regierungsfraktionen von Union und SPD zu Sondersitzungen, um die Föderalismusreform zu beschließen. Zugleich aber versuchten Spitzenpolitiker der Koalition am Wochenende, die Kritik an ihr unter Kontrolle zu halten. Dagegen bestehen Grüne, SPD-Linke und einige Landeschefs armer Bundesländer auf geplante Änderungen, die die Zuständigkeiten von Bund und Ländern entflechten sollen.
„Die Menschen müssen verstehen, wer im Land für was verantwortlich ist“, warb Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Verfassungsänderung. „Das Paket ist ausverhandelt“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rüttgers (CDU). Wer es aufschnüren wolle, müsse wissen, dass dann alle Themen wieder auf dem Tisch liegen. Ähnlich äußerten sich Berlins Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) und Unionsfraktionschef Volker Kauder. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) wandte sich gegen Änderungen bei der Bildungspolitik. Wer das Thema anpacke, bringe das ganze Paket zum Scheitern.
Prinzip der Reform ist es, dass die Länder Kompetenzen gegen andere Kompetenzen oder Zustimmungsrechte im Bundesrat eintauschen. Besonders umstritten ist, dass der Bund fast alle Kompetenzen im Bereich der Bildung verliert. Kritisiert wird auch, dass die armen Bundesländer im Wettbewerb um Beamte nicht mehr mithalten könnten, wenn jedes Land die Besoldung eigenverantwortlich regeln kann. Auch wird befürchtet, dass die Länder bei Pflegeheimen und Gefängnissen sparen, wenn Bundesgesetze sie nicht mehr zu Mindeststandards zwingen.
Umstritten ist auch, ob die Reform überhaupt ihr Ziel erreicht: den Anteil der Gesetze zu senken, denen der Bundesrat zustimmen muss. Bisher ist das wesentliche Kriterium für das Zustimmungsrecht der Länder die Frage, ob ihre Behörden ein Gesetz umsetzen müssen. Künftig soll maßgeblich sein, ob sie finanziell davon betroffen sind. Wann dieses Kriterium greift, ist aber nicht präzise geregelt.
„Es kann nun nicht nach dem Motto gehen: Friss, Vogel, oder stirb“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Harald Ringstorff (SPD). Er und sein schleswig-holsteinischer Kollege Peter Harry Carstensen (CDU) wollen Nachteile für kleine und arme Länder verhindern. SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck machte den Kritikern noch ein wenig Hoffnung: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wurde.“
Der Föderalismusreform müssen Bundestag und Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. Am Freitag sollen die mehr als 40 Verfassungsänderungen in beiden Kammern eingebracht werden. In den Koalitionsverhandlungen im Herbst hatten sich Vertreter von Union und SPD bereits auf einen Änderungskatalog geeinigt. Seitdem berieten einige Runden mit betroffenen Fachministern und Ländervertretern. Ihr neues Papier, das der taz vorliegt, entspricht aber im Wesentlichen dem Beschluss vom Herbst. LÖW
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