Leiser Punk und Marx-Verzerrung
: Von der Sonnenseite des Pop

Nils Schuhmacher

Der Mann war Teil von Herman Dune, jener musikalisch beweglichen französischen Low-Fi-Indiepop-Band, die manche für eine schwedische Low-Fi-Indiepop-Band hielten. Nach seinem Ausstieg wechselte der in Berlin lebende Franzose (dessen Mutter Schwedin ist) geradezu chamäleongleich seine Künstlernamen, um schließlich bei Stanley Brinks zu landen – was nun wieder eher nach einem englischen Künstler klingt. Unter diesem Namen, aktuell mit dem Zusatz & the Flying Kaniks, covert er ausschließlich bekannte und weniger bekannte Lieder von der ästhetischen Sonnenseite der Popgeschichte. Und zeigt guten Geschmack auch, indem er sich einer musikalischen Liaison hingegeben hat, die von vielen Seiten nicht zu Unrecht als gewinnbringend eingestuft wird. Ein freundlich, bebrillt und bärtig dreinschauender Mann singt und zupft auf die aus anderen Zusammenhängen gewohnte Art. Mit dabei: Clémence Freschard. Sie spielt ebenfalls Gitarre, vor allem aber singt sie mit schöner Stimme und ganz leicht französischem Einschlag. Der allerdings nicht ausreicht, um zu sagen: englischer Gesang mit französischem Einschlag. Mi, 31. 7., 21 Uhr, Hasenschaukel

Dass die Go-Betweens eine besondere Band waren, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass ihre Köpfe Robert Forster und Grant McLennan zwar von Punk und New Wave geprägt wurden, sich das aber nicht unbedingt anmerken ließen. Genau genommen schlugen die Australier einen ganz besonderen Weg ein. Musikalisch hatte der mehr mit Folk und Gitarrenpop zu tun. Damit waren sie im Ergebnis wohl die leiseste Punkband aller Zeiten. Aber auch eine jener zahllosen Bands, bei der allseitiges Lob und kommerzieller Misserfolg eng beieinander lagen. Über den Status der Kritiker- und Kollegenlieblinge kamen sie jedenfalls erst nach ihrer Wiedervereinigung 2000 hinaus. 2006 starb mit McLennan der eine prägende Teil der Band, die damit auch ihr endgültiges Ende fand. Foster wiederum veröffentlichte vor fünf Jahren mit „The Evangelist“ seine insgesamt vierte Soloplatte, die er nun – nicht wenige werden sagen: endlich! – zusammen mit den vielen hintergründigen Hymnen dieser wunderbaren Gruppe live durch Europa trägt. So, 4. 8., 22 Uhr, Nachtasyl

Wenn Pfarrer Lothar König aus Jena wie ein Wiedergänger von Karl Marx aussieht, dann ist Ben Caplan (man beachte den Nachnamen) unbedingt als die größtmögliche Verzerrung dieses Bildes zu betrachten. „Schöner Vollbart und uriges Aussehen – voll o. k.“, sagen alle jungen Männer zwischen 17 und 25, „aber das geht doch zu weit.“ Nicht nur auf diese Weise setzt sich der aus Haaren und Hornbrille bestehende Musiker aus dem kanadischen Halifax angenehm von allgemeiner Holzfällerkernigkeit ab. Seine raue, kehlige Whiskey-Stimme ist nämlich das eine. Das andere ist, dass er ohne Weiteres in andere Gesangsbereiche vorstößt, sich also um penetrante Tom-Waits-Vergleiche kaum Sorgen machen muss. Hinzu tritt hier eine Lust an musikalischen Traditionen, die außerhalb von Americana – nämlich erkennbar auf der Linie osteuropäischen Klemzers und Gipsy-Folks – liegen. Di, 6. 8., 20 Uhr, Knust, Bar

The Bellrays gehören mittlerweile zu den Veteranen eines Genres, das sie nicht ganz unwesentlich selbst mitbegründet haben. Anfänglich noch stark geprägt von klassischem R ’n’ B, Soul und Jazz, kam es recht bald zur Verknüpfung mit dem Detroit-Sound der Prä-Punk-Ära, repräsentiert durch Bands wie die Stooges und MC5. Eine insofern neuartige Verbindung, als sich Lisa Kekaula als eine äußerst stimmgewaltige Soulsängerin entpuppte, die aus der Band ein genauso schmutziges wie beseeltes Garagerock-Monster machte. Wer eine der gelungeneren Kreuzungen im Rockgeschäft – Motto: „Blues is the teacher. Punk is the preacher“ – sucht, hat gute Chancen, in den Bellrays etwas davon zu finden. Di, 6. 8., 20 Uhr, Molotow