Kritik der Woche : Napoleon hat einen gebrochenen Arm aus Plastik
Ein Mann steht in einem brennenden Haus am Fenster und blickt zu den Feuerwehrmännern hinunter, die ein Sprungtuch aufhalten. Im Hintergrund hat der Sender „TVI“ seine Kameras aufgebaut. Nur Gaffer gibt es keine.
In der Nähe befreit ein Pärchen in einem Sportwagen einen Freund aus dem Polizeigefängnis. Sie schaffen das, weil die Beamten auch Träumer in ihren Reihen haben. Drei Polizisten stehen in voller Montur und mit Schutzschildern etwas abseits und schauen gedankenverloren einen Waldbrand an.
„Neue Helden – Feuerwehr und Polizei“ heißt eine der Vitrinen, in denen im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum Playmobilwelten aufgebaut worden sind. Etwa 5500 Figuren setzten die Mitarbeiter in mühsamer Kleinarbeit zu liebevollen Szenen zusammen.
Zu einem Großteil wurden extra neue Vitrinen in einer Höhe von 53 Zentimetern gebaut – für die Kinder. Die Ausstellung macht nicht in Ansätzen den Anschein, die Messe eines Giganten der Spielwarenindustrie (Playmobils Marktanteil bei Spielwaren in Deutschland liegt bei 8,4 Prozent) zu sein. Kuratorin Margrid Schiewek-Giesel und Direktorin Katja Lembke sind der Aufgabe eines Museums nachgekommen und haben die Plastikwelten vorsichtig pädagogisch und historisch untermauert. So wird etwa in einer Villa die Kinderarbeit um 1900 thematisiert und auf einem Hinweisschild mit einem Suchspiel verbunden: Kannst Du den Jungen sehen, der keine Zeit hat, zu spielen?
Das Prinzip, Playmobilfiguren als Initialzündung für kindliche Wissensprozesse einzusetzen, wird auch mit drei Vitrinen in die archäologischen Dauerausstellungen des Hauses überführt. Da findet sich etwa in der Abteilung „Frühe Menschheit“ eine Playmobil-Arche-Noah. Lembke nennt das: „Weltspielzeug meets Weltmuseum“. Playmobil gehöre eben schon zur Kulturgeschichte.
Mitarbeiter Matthias Wiedenlübbert arbeitet daran, einen Teil der napoleonischen Armee zu rekonstruieren. Was da aufgereiht in den Vitrinen steht, ist wahrlich eine militärische Masse. Einschließlich einem blutigen Lazarett und Napoleon, dem Wiedenlübbert extra den gelenklosen, rechten Arm brechen musste, damit er ihn angewinkelt wieder ankleben konnte. Tim Meyer
Die Ausstellung „Playmobil – Entdecke die Welt“ läuft bis 6. Juni und ist täglich von 10-18 Uhr geöffnet