piwik no script img

Archiv-Artikel

Streiken verboten

Die „Schwäbische Zeitung“ drangsaliert ihre RedakteurInnen durch Textvorgaben und Mehrarbeit

Als im Winter 2003 bundesweit RedakteurInnen gegen die von den Verlegern geplante Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen auf die Straße gingen, wurde auch bei der Schwäbischen Zeitung gestreikt. Genauer gesagt in deren Lokalredaktion Ravensburg/Bad Waldsee. Und noch präziser: von einem einzigen Redakteur.

Der heißt Gerhard Reischmann, wurde wegen seiner Einmannaktion vom Verleger abgemahnt, aus dem Impressum der Lokalausgabe gestrichen und seines Status als stellvertretender Lokalchef beraubt. Heute, gut zwei Jahre nach dem Streik, kommt es zum Prozess.

Der Verlag der Schwäbischen Zeitung argumentiert, da man den Verlegerverband verlassen habe, gelte das im Tarifvertrag verankerte Streikrecht für Rei-schmann nicht. Einen unsäglicher Vorgang und der Versuch, das Streikrecht auszuhebeln, findet man beim Journalistenverband DJV. Übrigens mit für den Verleger gewünschter Wirkung: Beim „großen“ Streik im Januar 2004 war die Schwäbische Zeitung nicht mehr dabei.

„Da werden seit Jahren die Daumenschrauben immer enger angezogen“, sagt Thomas Schelberg, Geschäftsführer des DJV-Landesverbandes Baden-Württemberg, Die Stimmung beim traditionsreichen Regionalblatt (Auflage gut 185.000 Exemplare täglich) sei „katastrophal“. Es regiere „Angst, Angst und noch mal Angst“, sagt ein Insider.

Dazu kommen immer drakonischere Vorgaben aus der Redaktionszentrale: Die Lokalausgabe Bad Waldsee müsse jetzt mit knapp drei Redakteursstellen neben der üblichen Berichterstattung pro Woche fünf Kommentare, sechs Glossen, dreizehn Kurzporträts, zehn Interviews und Umfragen sowie vier Reportagen liefern, so Schelberg. Diese Arbeitsnormen seien zum 1. März gerade wieder einmal erhöht worden. Dass es Bad Waldsee wegen Reischmann besonders hart trifft, sei wohl „nicht ganz von der Hand zu weisen“, sagt der DJV-Mann.

Schon 2002 hatte die Schwäbische Zeitung zwei unliebsame Redakteure an die Luft gesetzt, offiziell wegen „unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten“ beziehungsweise wegen der „schlechten wirtschaftlichen Lage“. Damals ging es um die Redaktion in Biberach, LeserInnen protestierten mit über 1.000 Unterschriften gegen den Rausschmiss. Auch bei Reischmanns Prozess heute dürfte es voll werden. STEFFEN GRIMBERG