: „Zu wenig Information, zu wenig Fakten“
Der stellvertretende grüne Fraktionschef Reiner Priggen wirft der Steinkohle AG eine „Verweigerungslinie“ vor
taz: Herr Priggen, wie fanden Sie den Auftritt von des Steinkohle-Chefs Bernd Tönjes im Wirtschaftsausschuss des Landtages?
Reiner Priggen: Zu wenig Information, zu wenig Fakten. Den Fragenkatalog, den wir ihm drei Wochen vorher geschickt hatten, hat er leider nicht im Detail beantwortet und ist damit der Verweigerungslinie der Kohle treu geblieben – ein unglaublicher Vorgang bei einem Unternehmen, das vom Land allein jedes Jahr über 600 Millionen Euro an Zuschüssen erhält.
Reichen die Rückstellungen und der erwartete Börsenerlös der RAG aus, um die Kosten für die Altlasten zu decken?
Nach allem, was wir wissen, reicht das bei weitem nicht aus. Thyssen hat in seinem Jahresbericht untersuchen lassen, dass der Wert der RAG bei 7 Milliarden Euro liegt, die Altlasten aber bei 11 Milliarden. Darin liegt das hohe Risiko für die öffentliche Hand.
Was bedeutet das für die Zukunft des Landes?
Für NRW wäre vor allen Dingen eine weitere Beteiligung an einem Sockelbergbau eine Katastrophe. Das Land zahlt jetzt Jahr für Jahr über 600 Millionen Euro. Mehr als 50 Prozent des Haushaltes des Wirtschaftsministeriums werden ausgegeben für 30.000 Bergleute. Für eine Million Arbeitslose haben wir dagegen nur originäre Wirtschaftsfördermittel von 130 Millionen Euro. Diese Relation würde sich auf Dauer nur noch verschärfen.
Was schlagen Sie vor?
Wir brauchen einen definitiven Ausstiegspunkt aus der Kohle und einen langfristigen Schließungsplan für die noch in Betrieb befindlichen Zechen. Dies wäre möglich, ohne dass einzelne Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen werden müssten und würde die Folgeprobleme an den einzelnen Standorten minimieren. Das grundsätzliche Problem ist, dass es natürlich schwierig ist, 150 Jahre Bergbaugeschichte zu einem geordneten Abschluss zu führen und die Kosten dafür in den Griff zu bekommen.
Die RAG-Tochter Deutsche Steinkohle AG tritt auf, als gäbe es für sie eine Ewigkeits-Garantie. Wie kommt es, dass sie damit Erfolg habt?
Kohlevereinbarungen laufen immer über längere Zeiträume. Die Vereinbarung von 1997 bis 2005 wurde einstimmig von allen Fraktionen des Bundestags getragen, und wenn ich daran erinnere, dass es im Ruhrgebiet die „Brücke der Solidarität“ und andere Massenaktionen gab, so war damals der Rückhalt für die Steinkohle noch wesentlich größer. Entscheidend dafür, dass die Steinkohle diese Akzeptanz verloren hat, war ihre Arroganz bei den Auseinandersetzungen um den Rahmenbetriebsplan für das Bergwerk Walsum. Dort wurde rücksichtslos über mehr als 20.000 Einwendungen hinweg gegangen und damit erstmals einer größeren Öffentlichkeit deutlich, welche massiven Auswirkungen der Bergbau unter den Rheindeichen hat. Seitdem gibt es eine zunehmende Akzeptanz für einen Ausstieg.
Für die Kumpel von Heitkamp gilt diese Ewigkeits-Garantie nicht. Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Tage?
Es war absehbar, dass bei einer Schließung von Zechen – von 18 auf 10 zwischen 1997 und 2005 – auch die Aufträge an dritte Firmen drastisch zurückgehen werden. Insofern verstehe ich nicht, dass es die entsprechenden Anpassungsprozesse, die im Bergbau selber stattfanden, nicht auch bei diesen Firmen gab. Die öffentliche Hand hat jedenfalls kein Geld, um zusätzlich in Schachtbaubetriebe zu investieren.
INTERVIEW: SEBASTIAN HEISER