In der postwirtschaftswunderbaren Welt

FILM Das Porträt eines Spielers und der alten tristen Bundesrepublik – „Monarch“, heute beim Campingplatzkino am Moritzplatz

Ein Stimmungsbild: Die alte BRD an der Kippe zwischen den 70ern und 80ern. Während weit draußen im All zwei Voyager-Sonden den Jupiter passieren, fährt ein etwas sonderbarer Herr – im Auftritt leicht linkisch, zwar freundlich, doch hinreichend distanziert, die Kleidung gerade so, dass sie dem Milieu zwar zuzwinkert, doch im Zweifelsfall die kleinbürgerliche Fassade wahrt – im beigen Mercedes durchs Land, zieht durch die Kneipen und lebt in einer Welt zwischen Zitrone, Pflaume und der goldenen 7: das ist Monarch.

Und Monarch fegt die Gurke, wie er sagt: Er leert Geldspielautomaten. Legal, methodisch, professionell – mit Feingefühl für Haptik und Mechanik des Geräts. Monarch heißt er, weil er den Automaten dieses Namens wie kein Zweiter gefegt hat. Und so ist auch der Titel des Films, für den die Regisseure Manfred Stelzer und Johannes Flütsch den Mann bei seiner Arbeit in den Kneipen begleitet haben: „Monarch“.

Man kennt sich in der Szene, und die Kneipenwirte, die unter lautstarkem Gemaule nur zusehen können, wie der Monarch ihre Automaten restlos plündert, kennen bald auch den Monarch. Die Kneipengäste indes – alte Tresengespenster, junge Gammler mit flaumigem Schnurrbart – staunen erst, dann jubeln sie: Plötzlich lockt da die Einlösung des Versprechens jedes Geldspielautomaten, dass man oder sogar einer von ihnen es schaffen kann, den großen Jackpot zu ziehen, einmal nach einer langen Nacht die Kneipe reicher zu verlassen, als man sie betreten hat. Alltag für den Monarch, der allabendlich in seiner günstigen Absteige 5-Mark-Stücke stapelt.

Eine beeindruckende Beute, doch die Menge täuscht. Neben der Übernachtung müssen der Sprit bezahlt werden und ein wahres Agentennetz. „Geier“ nennt Monarch seine Jungens, die für ihn gegen etwas Knete, aber auch in der Hoffnung, vom Meister was zu lernen, die Kneipen nach dem aktuell gut spielbaren Automaten abstromern.

Schmutzig, nikotingelb, braun und beige und auch noch scheußlich grün gekachelt ist in dem Film diese triste, urbane BRD: BRD-Noir, als hätte Edward Hopper seine „Nighthawks“ im St. Pauli der 70er Jahre gemalt.

Der Voice-over stellt Monarch, Jahrgang 1939, als einen sensiblen, verletzten Rebellen vor, der sich in Deutschland, „wo viele es schwer haben, mit ihren Gefühlen zurechtzukommen“, der Entfremdung und Tristesse der Lohnarbeit entziehen will. Wenn er schon an Maschinen arbeiten müsse, so wenigstens an solchen, mit denen man spielen kann.

Bedrückend, faszinierend, zuweilen zum Schreien komisch aber ist, wie umfassend trost- und utopie-, wie lieblos diese postwirtschaftswunderbare Welt doch ist. Gerade Monarch wirkt als nomadische Ich-AG von einigem Arbeitsethos wie in der Revolte erstarrt, ein Gefangener im Hamsterrad seines eigenen Talents. Unbedingt dankbar sein muss man den Regisseuren Johannes Flütsch und Manfred Stelzer für diese Zeitkapsel, diese genau beobachtete Zustandsbeschreibung eines Milieus und eines hässlichen Landes, das sich heute hinter Pastellanstrichen und Repräsentationsbauten versteckt.

Ein skandalöses Versäumnis, dass dieser Film mangels DVD kaum greifbar ist. Umso dringender wird dazu geraten, die rare und sich heute im Campingplatzkino des Prince Charles am Kreuzberger Moritzplatz bietende Gelegenheit zu nutzen: „Monarch“ auf der Leinwand, hingehen! THOMAS GROH

■ „Monarch“ (1980) im Open-Air-Kino des Prince Charles, Prinzenstr. 85 f, 21 Uhr. In Anwesenheit von Regisseur Johannes Flütsch, bei schlechtem Wetter überdacht