: Union und SPD werden ruppig
Im Bundestag pfeifen Union und SPD heute die Opposition zurück. Ein Minderheitsbeschluss von Grünen, FDP und Linkspartei wird kurzerhand kassiert. Eigene Anhörung zur Föderalismusreform darf es nicht geben – auch wenn sie schon beschlossen ist
VON CHRISTIAN FÜLLER UND KERSTIN SPECKNER
Heute, neun Uhr, endet der kurze Höhenflug des Umweltauschusses. Der gelb-grün-dunkelroten Opposition war es gelungen, per Minderheitsbeschluss eine eigene Anhörung des Umweltausschusses zur Föderalismusreform durchzusetzen. Rechtlich war das vollkommen einwandfrei, denn das Plenum des Bundestages hatte den entsprechenden Antrag an den Ausschuss überwiesen. Doch die große Koalition juckt das nicht. Sie fischt sich die Causa heute mit ihrer Mehrheit wieder zurück. Jetzt schimpft die Opposition.
„Die große Koalition hat bereits eine verfassungsändernde Mehrheit“, ist die Grüne Sylvia Kotting-Uhl betrübt, „und jetzt raubt sie uns auch noch unsere Anhörungsrechte.“ Sie rügt die ruppige Gangart – genau wie die liberale und linke Opposition.
„Jetzt weiß ich, was Merkels Durchregieren bedeutet: niederwalzen“, ist Parlamentsneuling Nele Hirsch (Linkspartei) sprachlos. Und Cornelia Pieper, Fraktionsvize der FDP und sonst eher selten Seit’ an Seit’ mit Nele Hirsch zu sehen, sagt: „Hier werden die Minderheitenrechte beschnitten. So etwas gab es noch nie in der Geschichte des Bundestags“ (siehe Interview unten).
Hirsch und Pieper gehören nicht zum Umwelt-, sondern zum Bildungsausschuss, und sie haben gestern ihr Waterloo erlebt. Auch die Bildungs- und Forschungspolitiker hatten, von der SPD augenzwinkernd animiert, eine eigene Expertenanhörung gewollt. Doch die Mehrheit von Union und SPD schubste ihren Antrag gestern von der Tagesordnung. Dann wirkt es nicht mehr ganz so peinlich, wenn das Bundestagsplenum die Anträge wieder einkassiert.
Hintergrund ist die anhaltende Kritik an den Gesetzentwürfen zur Föderalismusreform, die bei Umwelt- und Bildungspolitikern besonders stark ist. Ehe die aber eigene, große Anhörungen von Experten außerhalb des Bundestages durchsetzen, will die große Koalition nur eine historisch einmalige Anhörung – zusammen mit dem Bundesrat. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Olaf Scholz, sagte, nur die Rechtsausschüsse würden eine Anhörung zu dem strittigen Reformwerk veranstalten. Das sei bei Verfassungsänderungen immer so, so Scholz. „Das gehört zum Traditionsbestand der Republik.“
Nicht erklären konnte Scholz, warum die SPD-Abgeordneten des Bildungsauschusses ebenfalls eine eigene Anhörung veranstalten. Auch aus Tradition?