Mehr Altersarmut

VON ULRIKE WINKELMANN

Zur offiziellen Präsentation des Rentenversicherungsberichts erklärte Franz Müntefering (SPD) gestern, auch er erkenne Vorboten künftiger Altersarmut. „Natürlich gibt’s da welche, bei denen man sehen kann, das kann eigentlich nicht gut gehen“, sagte der Arbeits- und Rentenminister.

Müntefering gestand ein, dass er früher Anhänger einer Pflicht zur privaten Riester-Rente gewesen sei, damit auch Geringverdiener und Menschen mit holprigen Arbeitsbiografien auf eine akzeptable Rente kämen. Doch nun in der großen Koalition habe sich die Lage geändert: Ein „Obligatorium“ – der Pflicht-Riester – „ist im Moment nicht beabsichtigt“. Er setze darauf, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften sich in den Tarifverhandlungen auf mehr betriebliche Versicherungen einigten. Immerhin hätten inklusive öffentlichem Dienst bereits 60 Prozent aller Beschäftigten eine Zusatzvorsorge.

Der Rentenversicherungsbericht und der Alterssicherungsbericht, die Müntefering gestern vom Kabinett verabschieden ließ, enthalten seine Rentenreformpläne sowie kurz- und langfristige Prognosen zur Rentenhöhe. Demnach kommt die Rente mit 67 in Ein-, später Zwei-Monats-Schritten ab 2012.

Ab diesem Zeitpunkt kann jedoch weiterhin mit 65 in Rente gehen, wer 45 Jahre gearbeitet hat. Dass dies Frauen benachteilige, wie es auch der Sozialbeirat des Ministeriums am gestrigen Frauentag rügte, gestand Müntefering schon zu. „Aber die Konsequenz wäre, dass man die 45-Jahres-Regel streichen müsste“, erwiderte er.

Über andere Möglichkeiten, den späteren Rentenbeginn für solche abzufedern, die vielleicht gar nicht so lange arbeiten können und deshalb hohe Abschläge in Kauf nehmen müssten, spricht Müntefering seit Wochen nicht mehr. Allerdings ist die Idee, die Erwerbsminderungsrente wieder auszubauen, laut Ministeriumskreisen noch nicht ganz tot.

Das Konzept für die „Initiative 50 plus“ – Münteferings Pläne zur besseren Integration Älterer in den Arbeitsmarkt, die mit der Rente mit 67 „Hand in Hand“ kommen soll – wird spätestens im Juni vorgestellt. Ein Papier Münteferings, das in den vergangenen Tagen für Wirbel sorgte, sei in der Tat bloß eine Zusammenstellung existenter Maßnahmen gewesen, auf die er aber aufbauen möchte.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD Klaus Brandner formulierte gestern erstmals eine Zielmarke dieser Initiative: 2010 müsse die Hälfte der über 50-Jährigen einen Job haben, sagte Brandner im Inforadio Berlin. Gegenwärtig arbeiten bloß 42 Prozent der über 55-Jährigen – das ist weit unter dem europäischen Schnitt.

Die heutigen 20 Millionen Rentner haben für die kommenden Jahre „Nullrunden“, also keine Rentenerhöhungen zu erwarten. Rentenkürzungen werden für diese Legislatur ausgeschlossen. „Nicht vor 2010“ werden dann die gesetzlich vorgesehenen Dämpfungen nachgeholt, die jede dann erhoffte Rentenerhöhung ebenfalls gegen null drücken dürften.

Grundsätzlich sind die gesetzlichen Renten in Ostdeutschland höher als im Westen – vor allem wegen der Ost-Frauen mit ihren Job-Biografien. Viele Westrentner haben aber Zusatzrenten. Legt man 45 Versicherungsjahre in Ost wie West zugrunde, bekommt der Durchschnittsverdiener, der „Eckrentner“, 2005 im Westen 1.066 Euro Netto-Rente, im Osten 939 Euro. Noch 1991 waren die West-Eckrenten doppelt so hoch wie die Ost-Eckrenten.

Rentenkürzungen und Arbeitslosigkeit beginnen bereits, sich auch bei den Rentnern auszuwirken: Die jüngeren Rentner haben insgesamt weniger Geld zur Verfügung als die mittelalten Rentner-Kohorten.