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LARS PENNING
Wie man die Freiheiten in einem Studiosystem nutzen konnte, das vermeintlich standardisierte Genreware produzierte, zeigt das Beispiel des japanischen Regisseurs Seijun Suzuki: Seit 1956 beim Nikkatsu-Studio beschäftigt, drehte Suzuki zumeist von Yakuza-Killern und Prostituierten handelnde B-Pictures, die jedoch – entfernt vergleichbar mit der Nouvelle Vague – ihr Genre regelmäßig dekonstruierten. An stringenten Erzählungen war Suzuki nicht interessiert, seine elliptischen Geschichten begeben sich oft genug in surreale Gefilde und sind ästhetisch von einem strengen Stilwillen geprägt, in dem sowohl harsche Schwarz-Weiß-Kontraste als auch geradezu popartig explodierende Farben Platz haben. Das Studio schaute sich Suzukis Experimente immerhin bis 1967 an, dann warf man ihn mit der Begründung hinaus, seine Filme seien komplett unverständlich. Sein Rausschmeißer „Koroshi no rakuin“ (Branded to Kill, 1967) zeigt Suzuki noch einmal auf dem Höhepunkt seiner Kunst: Zu cooler Jazzmusik entfaltet sich im schwarz-weißen Breitwandformat eine Story um den Auftragskiller Hanada, die Nummer 3 in seinem Syndikat, der vor allem den Duft von gekochtem Reis schätzt und irgendwann bei strömendem Regen zu einer Frau ins offene Cabrio steigt, die so Sachen sagt wie: „Mein Traum ist das Sterben.“ Als ein Auftrag scheitert, weil sich im entscheidenden Moment ein Schmetterling vor das Zielfernrohr seines Gewehrs setzt, driftet die Geschichte immer weiter in Richtung eines absurd-halluzinatorischen Duells mit dem Nummer-1-Killer. ((Om engl. U) 2. 8., Arsenal)
Peter Yates Polizeithriller „Bullitt“ (1968) besitzt zweifellos eine der aufregendsten Autoverfolgungsjagden in der Geschichte des Kinos: In den hügeligen Straßen von San Francisco von Kameramann William A. Fraker abwechselnd in Totalen und aus der Sicht des Fahrers aufgenommen, sitzt man als Zuschauer beim dynamisch-rasanten Auf und Ab beinahe in einer Achterbahn. Steve McQueen spielt die Hauptfigur des kühl-professionellen Polizei-Lieutenants Frank Bullitt, der sich gleichwohl sympathisch von den Karrieristen in seiner Umgebung abgrenzt und sich in seiner Arbeit gegen einen arroganten Staatsanwalt behaupten muss. ((OmU) 4. 8., Freiluftkino Mitte)
Wem Paolo Sorrentinos „La grande bellezza“ so gut gefallen hat wie mir, der mag sich mit Federico Fellinis „La dolce vita“ vielleicht auch eines der entfernten Vorbilder noch einmal anschauen: dekadente Langeweile im Rom der nächtlichen Brunnen und Dachterrassen, milde Verzweiflung bei den Schönen und Reichen angesichts vertaner Leben. Mittendrin: Marcello Mastroianni als zynischer Klatschreporter. (2. 8., Babylon Kreuzberg)