: Das Militär kann zaubern
MALI Ohne dass es ein offizielles Ergebnis der Präsidentschaftswahl gibt, gilt der ehemals wichtigste Gegenspieler des vor einem Jahr weggeputschten Staatschefs als Sieger
OPPOSITIONSANHÄNGER IN BAMAKO
AUS BAMAKO KATRIN GÄNSLER
Sie sind ein bisschen müde von den ersten Feiern, die Anhänger von Ibrahim Boubacar Keïta, genannt IBK. Ein Taxifahrer, der in seinem knallgelben Mercedes durch Badalabougou fährt, ein belebter Stadtteil von Bamako, will sich auch gar nicht groß äußern. „Toll war das. Wir haben gewonnen“, sagt er. Nicht nur er lächelt, sondern IBK höchstpersönlich. An der Heckscheibe klebt noch ein Poster. Das soll auch dort bleiben.
Dabei ist der Sieg des 68-Jährigen bei Malis Präsidentschaftswahl noch immer alles andere als offiziell. Bis zum Mittwochnachmittag gab es nicht einmal offizielle Zahlen. Zeitungen spekulieren, dass IBK 55 Prozent geholt hat. Das würde, wie Territorialminister und Armeeoberst Moussa Sinko Coulibaly bereits am Dienstagabend auf einer Pressekonferenz vage ausgedrückt hatte, sogar eine Stichwahl überflüssig machen. Der Oberst hatte den Sieg IBKs im ersten Wahlgang in Aussicht gestellt, obwohl nach seinen Angaben die Stimmen erst zu einem Drittel ausgezählt waren – zum großen Ärger von IBKs Gegnern.
Auf eine Stichwahl haben alle anderen Politiker gehofft. Nach Umfragen vor den Wahlen war zwar recht eindeutig gewesen, dass IBK, der einstige Premierminister Malis von 1994 bis 2000, vorne liegen dürfte. Er hat intensiv Wahlkampf betrieben und war als erster Kandidat nach Kidal im Norden des Landes geflogen, wo trotz vorläufiger Friedensabkommen die Tuareg-Rebellen immer noch das Sagen haben. Damit setzte er Maßstäbe. Außer ihm reiste nur noch Soumaïla Cissé, der Zweitplatzierte, in die spannungsgeladene Stadt.
Dennoch hoffte die Opposition, IBK in einem zweiten Wahlgang mit vereinten Kräften schlagen zu können. Auch Cissé ging davon aus und nannte eine Stichwahl „notwendig und unausweichlich“. Angesichts des Umstandes, dass es 27 Kandidaten gab, klang das realistisch.
Wenn nun doch IBK zum Sieger im ersten Wahlgang erklärt wird, könnte das bei seinen Gegnern auf Ablehnung stoßen. Aus Kreisen um Soumaïla Cissé heißt es, man plane Demonstrationen. Schon nach der Bekanntgabe der ersten Wahlergebnisse ohne Zahlen am späten Dienstag versammelten sich wütende Oppositionsanhänger vor Cissés Kampagnenbüro im Stadtteil ACI 2000. Dabei richtete sich die Stimmung gar nicht so sehr gegen IBK, sondern vielmehr gegen das Territorialministerium.
„Tendenzen“ ohne Zahlen zu veröffentlichen, bei nur einem Drittel der Stimmzettel, sei unmöglich, hieß es. „Das ist doch völlig unseriös. Ohne verlässliche Zahlen glauben wir gar nichts und gehen weiter von einer Stichwahl aus“, sagt beispielsweise Askofara Amadou. Im Gegensatz zu anderen Wartenden versucht er, ruhig zu bleiben. Doch seine Stimme bebt. Er beugt den Oberkörper immer wieder vor und zurück. Das Gesicht von Soumaïla Cissé auf seinem T-Shirt wackelt hin und her.
Was IBK zum frühen Wahlsieg verholfen haben könnte, könnten seine gute Kontakte zur malischen Armee sein. Viele Soldaten sollen ihn gewählt haben. Bereits 2002 und 2007 war er bei Präsidentschaftswahlen angetreten, damals noch gegen den zweimal gewählten Amadou Toumani Touré (ATT). Der war dann das Opfer des Militärputsches vom März 2012, der Mali in die Krise gestürzt hatte. IBK als Gegenspieler ATTs, der ebenso wie die putschenden Militärs gern von der Wiederherstellung der Ehre Malis spricht, genießt logischerweise die Unterstützung von ATTs Feinden. Andere Kandidaten wie beispielsweise Modibo Sidibé galten hingegen lange als Gefolgsleute von ATT.
Unterstützung dürfte IBK auch von religiösen Meinungsführern erhalten haben. Zwar betonte Imam Mahmoud Dicko, Präsident des Hohen Islamischen Rates von Mali, dem höchsten Gremium muslimischer Verbände, Imame würden keine Wahlempfehlung aussprechen. Doch unter der Hand galt IBK als Lieblingskandidat. Immer wieder gab es Gerüchte, dass das auch bei den Freitagsgebeten in den Moscheen kundgetan würde. Und Mamadou Diamoutani, Präsident der Wahlkommission (CENI), ist ein führendes Mitglied des Rates.
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