: Melancholie mit Grund
KUNST Vier kleine Ausstellungen in Bremen und Bremerhaven erinnern an den im Juni gestorbenen Maler Peter Schwontkowski
Peter Friese, Kurator
VON RADEK KROLCZYK
Kunst soll stets dies und das: der Aufklärung dienen, der Bildung, nützlich sein. Warum kann Kunst eigentlich nicht einfach nur da sein? So wie Menschen, an die ja prinzipiell in dieser, unserer bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsformation immer dieselben Anforderungen gestellt werden: Tu was! Sei nützlich! Rette die Welt! Einfach nur da sein hingegen, sonst nichts – das wäre schön!
Besonders deutlich wird die Absurdität der ewigen Tretmühle im Moment des Todes. Manchmal wenigstens gibt es eine Art des Überlebens in der Kunst. Der Bremer Maler Norbert Schwontkowski hatte gegen diesen permanenten Bewegungsimperativ bis zum Ende angemalt. „Den Tod schicken wir nach Hause“, hatte er im vergangenen Sommer im Interview mit der taz gesagt. Im Alter von 64 Jahren ist er nun im Juni nach einer kurzen und schweren Krankheit gestorben.
„Dass ich ein Maler war“ ist der Titel eines seiner frühen Bilder. Im Vordergrund stehen zwei Windräder, die gelbe und rote Farbe im Bildraum verteilen. Vielleicht führen sie so die Arbeit des Malers nach dessen Ableben fort. Eine Gemengelage von Absurdität und Melancholie. Für Schwontkowski war diese Mischung typisch. Das großformatige Ölbild hängt zurzeit in der Bremer Kunsthalle. Schwontkowski hatte es bereits 1988 gemalt. Das war lange vor seinem großen Erfolg, der erst 2004 mit der Ausstellung „Kino“, ebenfalls in der Bremer Kunsthalle, eintrat.
Ebenfalls unter dem Titel „Dass ich ein Maler war“ laufen derzeit gleich vier kleine Ausstellungen in Bremen und Bremerhaven, die an den Künstler und sein Werk erinnern. Neben der Kunsthalle zeigen auch die Weserburg und das Studienzentrum sowie die Hollweg-Stiftung und der Kunstverein Bremerhaven einige seiner Arbeiten.
„Wir wollten keine große Schwontkowski-Ausstellung, mit Eröffnungsrede und Katalog“, so Peter Friese, Hauptkurator des Museums Weserburg und langjähriger Freund des Malers. „Vielmehr ging es uns darum, einen stillen Gedenkort zu schaffen, den man aufsuchen kann, um sich an ihn zu erinnern“, so Friese weiter. Und auch Sabine Maria Schmidt, die Kuratorin der Ausstellung in der Kunsthalle, verglich jüngst im Interview mit der taz das Museum mit einer Kirche: beides eröffne die Möglichkeit zur Kontemplation.
So wird ein Museumsbesuch zu einer sehr persönlichen Angelegenheit. Und dafür eignen sich die Bilder von Norbert Schwontkowski hervorragend. Sie behandeln die Allgemeingültigkeiten des menschlichen Lebens: Trauer, Abschied, Sehnsucht, Hoffnung. Immer wieder sieht man Segel, immer wieder bricht ein Schiff auf in die Ferne.
Da wäre zum Beispiel „Am Meer“ von 1996, das in der Weserburg gezeigt wird. Wie bei Caspar David Friedrich ist in weiter Landschaft eine verlorene menschliche Gestalt zu sehen. Bei Schwontkowski ist es ein aus dem Gleichgewicht geratener Pfaffe. Der Hintergrund ist weit und ockerfarben. Dass es sich um ein Meeresufer handelt, wird einzig durch den Titel deutlich.
Für diese Hintergründe war Schwontkowski berühmt. Sie erinnern an jahrhundertealte Klostermauern, auf denen unzählige Anstriche und Fresken einander überlagern. Als Klosterschüler, der früher einmal Pfarrer werden wollte, muss ihm so etwas vertraut gewesen sein. Seine Bilduntergründe trug er in dicken Schichten auf. Durch die Beimischung von Eisenoxyden verändert sich die Farbe. So malen sich seine Bilder auch nach seinem Tod von selbst weiter.
Eine Besonderheit der Ausstellung in der Weserburg ist die Vielfalt der Genres. „Ich hatte mir gewünscht, Schwontkowski in seiner ganzen Diversivität zu zeigen“, so Udo Seinsoth, der gemeinsam mit seiner Frau Brigitte den Maler als Galerist begleitete.
Aus seiner Sammlung stammen die Notizblöcke, Künstlerbücher und Drucke, die in der Gedenkschau zu sehen sind. Persönlich ist eben auch die Auswahl der ausgestellten Arbeiten. In der Weserburg hängen zahlreiche Bilder aus der Sammlung der Literaturwissenschaftler Christa und Peter Bürger. Letzterer lehrte von 1970 bis 1998 an der Universität Bremen. Bürger und Schwontkowski verband eine jahrzehntelange Freundschaft. Der Uni-Professor hat die Entwicklung seines Freundes stets begleitet und ihn mit Ankäufen unterstützt.
In der Sammlung des Ehepaars befindet sich ein großes Bild von 1997. Es ist eine Gruppe stolzer Schwäne, die ihre Hälse und Schnäbel in die Luft recken. Um sie herum Schwontkowskis Klostermauerhintergrund in Ocker. Der Titel zerreißt die anmutige Stille lakonisch: „Wir in dieser Drecksbrühe“.
■ „Norbert Schwontkowski. Dass ich ein Maler war“: Kunsthalle Bremen, bis 20. Oktober, Weserburg Museum für moderne Kunst & Studienzentrum für Künstlerpublikationen; Karin-und-Uwe-Hollweg-Stiftung, Altenwall 6 (Besuch der Ausstellung nur im Rahmen der Schwontkowski-Führungen in der Kunsthalle oder der Weserburg), Kunstverein Bremerhaven, Karlsburg 1/4, bis 29. September