Isabelle, Isabelle

Eine Hommage reicht nicht für Isabelle Huppert, deshalb gibt es viele: In der C/O Galerie kreisen Fotografen um ihr Geheimnis, und zwei Kinos zeigen die Filme, die zu ihren geworden sind. Wir stehen nicht nach und erklären ihr gleich viermal unsere Liebe

Beharrlich, selbst im Unglück

Zu den Vergnügungen des Fin de Siècle in Paris gehörte ein Fragebogen, der sich nach Tugenden, Lieblingshelden und Glücksvorstellungen des Befragten erkundigte. Noch 100 Jahre später zirkuliert der Bogen, und Isabelle Huppert hat einmal, gefragt nach der Charaktereigenschaft, die sie an sich am meisten schätzt, geantwortet: „perséverance“, Beharrlichkeit. Auf dem Foto von Karin Rocholt ist die Beharrlichkeit spürbar in ihrem Blick, der den Betrachter fixiert, ohne sich ihm zu öffnen. Öffnung mag zwar die helle Fläche des Gesichts suggerieren, doch Hupperts Blick bleibt ein Instrument der Durchdringung. Hartnäckig sind oft auch die Figuren, denen sie Gestalt verleiht, zuletzt die Richterin in Chabrols „L’ivresse du pouvoir“. Und natürlich Erika Kohut in Michael Hanekes Verfilmung von Elfriede Jelineks Roman „Die Klavierspielerin“. So beharrlich steuerte Kohut ihre sexuelle Unterwerfung an, dass man sich lange verblüfft die Augen reibt, wie perséverance und perversité ineinander übergingen. CRISTINA NORD

Anschmiegsame Mattigkeit

Kein Starfoto, in keiner Hinsicht. Weder der Fotograf noch die Porträtierte scheinen viel Ahnung von einem guten Bild oder einer anständigen Selbstinszenierung zu haben. Handelte es sich nicht um eine Schwarzweißfotografie, könnte man ein Knipserfoto vermuten. Aber wen zeigt das Bild? Tatsächlich Isabelle Huppert? Könnte es nicht ein Bild von mir sein? Was sieht man schon? Eine kräftige Nase und deutliche Lippen. Gefällt es mir so gut, weil ich mich schon immer mal als die viel bewunderte Isabelle Huppert sehen wollte? Nein, natürlich erkennt man sie jederzeit auf dem Porträt von Bernard Plossu, der durchaus eine Größe unter den international bekannten Fotografen ist. Scheinbar im kurzen Moment eines Schnappschusses eingefangen, zeigt ihr Mienenspiel eine große Qualität, die sie mir voraus hat – und über die sie gut Bescheid weiß: Es ist matt und neutral. Denn wie sie in einem Interview sagte: „Das Leben besteht nämlich eher aus matten, neutralen Attitüden und nicht aus expressiven Grimassen.“ Und Leben findet ohne Kamera nicht statt: Das Bild zeigt eben doch zwei Profis am Werk.

BRIGITTE WERNEBURG

Diese Liebe überdauert alle Krisen

Ich habe mich anlässlich von „Heaven’s Gate“ in sie verknallt. In Michael Ciminos großartigen Kinoflop war ich sowieso verliebt: Diese kreisende Tanzszene am Anfang, die sich in der Mitte des Films im Rollschuhlauf und am Ende im Kampf der Viehbarone und der Einwanderer wiederholt – toll! Isabelle Huppert spielt darin die Frau mit den vielen Facetten: lebhaft, hübsch, klug, selbständig, tough. Erst backt sie Kris Kristoffersen einen Kuchen, dann reitet sie auf dem neuen Pferd wie der Teufel: Glamour durch Natürlichkeit inszenieren, das konnte die Huppert in dem Film ganz grandios.

Wäre es damals etwas mit uns geworden (ach!), hätte dieses Foto – das Nan Goldin von ihr mit Sonnenbrille und verwehten Haaren auf einer Parkbank gemacht hat –, der Schnappschuss unserer reifen Beziehung sein können. Das Posing nach dem Posing: erste Krisen überstanden, das Interesse am Gegenüber aber noch da, auch wenn die Zeit der Projektionen vorbei ist. Schade, dass sie in „Heaven’s Gate“ sterben musste. DIRK KNIPPHALS

Das geheime Einverständnis

Isabelle Huppert im PaillettenTop, mit lackierten Nägeln und geschminktem Mund? Falsch, stimmt nicht!, ruft meine innere Stimme: Das musste sie anziehen, das wollte Lindbergh so, dieser Depp, der eine Grande Dame als Grande-Dame-Imago ausstaffierte. Das Klimbim-Top hat sie sich deswegen auch absichtlich nicht bis in die Achseln hineingezogen und lieber fremdkörpergleich mit den Oberarmen festgeklemmt, den Blick schickt sie gut Huppertsch unbeteiligt aus dem Bild.

Seit einem Vierteljahr mit „La Dentellière“ im Französisch-Leistungskurs kriege ich das nicht mehr weg: An Isabelle Hupperts Körper gehören nur zwei Kleidungsstücke – eine zu große Strickjacke, in der sie als Pomme am winterlichen Strand entlanggeht, die Hände tief in den Taschen, die Augen skeptisch auf den neuen Freund gerichtet, der sie verlassen wird. Und ein weißes Nachthemd, das sie langsam und bedacht über ihren nackten Körper breitet, eine zum Verzweifeln schöne Einverständniserklärung ins Berührtwerden. Die Tollste im Ernst, weich und unnahbar, braucht doch keine Pailletten! KIRSTEN RIESSELMANN