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Archiv-Artikel

Klaus Zapf: „Klar bin ich ein Spießer“

taz: Herr Zapf, Sie sind Unternehmer, Multimillionär und trotzdem noch immer überzeugter Linker. Ganz schön altmodisch, was?

Klaus Zapf: Überhaupt nicht. Die meisten Leute sind korrumpiert worden. Schröder und Fischer waren ja der lebende Beweis, dass du jeden über seine Lebensweise drehen kannst. Du machst sie abhängig von Bequemlichkeiten und von ihrer eigenen Aufsteigermär.

Bei Ihnen wurde dieses Märchen doch auch wahr.

Dem Aufsteigen sind eben mehr Reize abzugewinnen als dem Absteigen. In meinem Berufsleben als Umzugsunternehmer habe ich immer beobachtet, wie in bestimmten Berufsbranchen rießige Gewinne erwirtschaftet, dann aber auch wieder verspielt wurden. Leute zogen von der Dallas-Villa zurück in eine Zweizimmerwohnung. Das hat mich vor Flausen geschützt.

Im Moment werden in Deutschland vermehrt Geschichten vom sozialen Abstieg erzählt.

Deshalb hat man halt mal die Globalisierung erfunden, um dieser die Verantwortung zuzuschieben. Damit den Leuten erklärt werden kann, warum das alles so schlecht ist auf einmal.

Und die Spießer vor ihren Fernsehern glauben das einfach?

Spießigkeit heißt doch, dass man keine Veränderungen will. Man will sich zu Hause geborgen fühlen. Aber das ist ja keineswegs der Fall. Die Leute sind entsolidarisiert. In unserer Gesellschaft ist es nicht opportun, seine eigene Existenz in Verbindung zu bringen mit Problemen ökonomischer Natur.

Das war früher mal ganz anders.

Meine Generation hat sich ja komplett abgewendet von den gesellschaftlichen Problemen, aber die junge Generation geht ziemlich burschikos zur Sache, zum Beispiel die Jungs und Mädels von Attac.

Ihrer Generation ist die Luft ausgegangen?

Die Leute wollen sich nicht an ihre Verantwortung erinnern, die ihnen aus ihrer früheren Geisteshaltung eigentlich erwachsen würde, gerade in der heutigen Situation!

Und die, die immer noch daran glauben, sind dann linke Spießer?

Immer noch nicht. Der Spießer ist momentan jemand, der sich treiben lässt, der alle Moden mitmacht. Jede Mode ist kreiert durch Konsum, selbst die Verweigerung als solche führt wieder zu Artikeln und Dienstleistungen.

Spießer sind die anderen?

Das sind ja nur Schlagwörter. Ich kenne viele Laubenpieper und sonstige Freunde des Alltags, die gerne Spießer sind und denen das nichts ausmacht. Wenn mich jemand Spießer nennt: Was soll ich denn dann sagen? Soll ich nein sagen, wenn jemand findet, dass ich ein völlig armes Leben führe, immer nach dem gleichen Muster. Wenn der das meint, dann bin ich eben ein Spießer.

Also doch ein Spießer?

Aber total. Ich bin ein Korinthenkacker und Kontrolletti. Alle Kontrollettis und Zwangshandler sind Oberspießer. Aber das belastet mich nicht.

Sie weigern sich, Auto zu fahren. Klassisch links.

Spießig, weil ich Spaziergänger bin, was glauben Sie, was mich das juckt.

Sind Sie also ein linker Spießer?

Ach, das ist diese typische Konsumverweigerung, das hat mich auch geprägt. Wenn ich sehe, dass wir hier orginal verpackte Handelsware wegwerfen, einfach weil die Leute das mal gekauft haben und es nicht mehr haben wollen. Sondermüll ist das, unvorstellbar.

Ein Millionär, der keine Lust auf Shopping hat. Was sagt Ihre Frau dazu?

Selbst meine Frau hat erkannt, dass mehr als drei Pelzmäntel nichts bringen. INTERVIEW: MARTIN REICHERT