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Moderner Melancholiker

Die Arbeiten des Norwegers Edvard Munch verbreiten Tristesse mit Stil. Unter dem Titel „...aus dem modernen Seelenleben“ zeigt die Hamburger Kunsthalle ihre umfangreiche Munch-Sammlung, ergänzt durch 80 Leihgaben

Drei Mädchen an der Brücke, sechs Mädchen am Strand: In verwaschen leichter Farbigkeit und stark stilisierender Form sind die beiden auf grüner Wand gehängten Bilder der Kunsthalle fast das einzig freundliche an der Edvard-Munch-Ausstellung im Hubertus-Wald-Forum.

Denn dieses so hoffnungsfroh begonnene Frauenleben führt scheinbar zwangsläufig in Abgründe: bald lauern schwarze Schatten der Pubertät hinter den Mädchen, die reife Frau ist eine Furie, eine im Kuss männermordende Vampirin oder eine schöne Hexe, die mit dem Tod tanzt. Bei diesem melancholischen und misanthropischen Norweger ist Schönheit und Lust immer nur die Maske von Unglück, Angst, Verzweiflung und Tod.

„Die Mehrzahl der Lithographien sind mir ein Buch mit sieben Siegeln (...) Der Künstler macht den Eindruck, als wandele seine Phantasie an der Grenze des Wahnsinns.“ Das ist keine Kritik dieser letzten noch unter Uwe M. Schneede konzipierten, zugleich ersten unter Hubertus Gaßner gezeigten Sonderausstellung. Vielmehr schrieb dies der Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark im April 1898.

Inzwischen gehört Munch (1863–1944) zum Kanon der Moderne. Seine düstere Symbolik und scharfzeichnenden Porträts sind mit dem ihn selbst zitierenden Ausstellungstitel „...aus dem modernen Seelenleben“ gut eingeordnet. Doch wenn hier schon psychologisiert wird: In diesem langen Winter ist diese mit negativer Energie geladene Versammlung von vorwiegend Druckgraphik voller Künstlerleid und Frauenhass, Mord und Selbstmord schwer zu ertragen.

Trösten können sich Besucher mit der Verlagerung des Interesses auf die technischen Finessen der Bilder. So wirkt die unwirklich konturierte Landschaft „Tannen im Winter“ so frisch, als sei sie von einem der aktuellen neu-gegenständlichen Maler – und nicht von 1903.

Und wie in dem schrägen Eckraum des Ausstellungsbereichs ausführlich dokumentiert, war Munch in Radierung, Lithographie und Holzschnitt gleichermaßen innovativ. Sowohl durch Weiterentwicklung der Techniken wie durch ständige Überarbeitung von Druckplatte und Blatt erzielte er immer wieder neue Wirkungen seiner Themen. Sein seit 1894 entstehendes druckgraphisches Werk hat in seiner technischen Autonomie die deutschen Expressionisten, besonders die Künstler der „Brücke“ stark beeinflusst. Es umfasst rund 750 Kompositionen in etwa 25.000 existierenden Abzügen.

Die mit 80 Leihgaben ergänzte aktuelle Ausstellung dient vor allem der weitgehenden Präsentation des großen, wesentlich in den zehn Jahren nach 1945 ins Haus gelangten Besitzes der Hamburger Kunsthalle. Mit sieben Leinwänden und 190 Graphiken ist er einer der größten Sammlungsbestände außerhalb Norwegens. Er enthält auch ein Exemplar der immer noch provozierenden „Madonna“ – eine spermienumkränzte, mit todgeweihten Embryos attribuierte Hure. Hajo Schiff

Edvard Munch: „...aus dem modernen Seelenleben“: Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr; Kunsthalle; bis 18. Mai. Katalog 192 Seiten, 23 Euro

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