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Archiv-Artikel

Die Flucht in Regulierungsoasen

BASEL III Mehr Eigenkapital, größere Bargeldvorräte, geringere Managerboni: Die EU setzt mit schärferen Bankenregeln Maßstäbe – andere Weltregionen lassen es locker angehen

„Regulierung ist ein vorsichtiges, ängstliches Herantasten“

FRIEDRICH THIESSEN, TU CHEMNITZ

VON HERRMANUS PFEIFFER

HAMBURG taz | Es hat länger als fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise gedauert, bis das EU-Parlament neue Spielregeln für Banken verabschiedete. Die Regelungen – Kürzel: „Basel III“ – müssen noch in nationale Gesetze umgesetzt werden, um 2014 in Kraft zu treten. Doch in anderen Weltregionen lässt man es lieber locker angehen.

„Basel III“ sollte die Finanzbranche weltweit krisenfester machen. Mit dem Regelwerk werden die Eigenkapitalanforderungen für Banken deutlich verschärft, vermeintlich systemrelevante Kreditinstitute wie die Deutsche Bank oder Citigroup sollen obendrein noch mehr Eigenkapital vorhalten. Banken müssen ihre Bargeldvorräte erhöhen. Weitere Regeln sollen das Geschäftsvolumen begrenzen und Bankerboni für kurzfristige Erfolge einschränken.

Ein solches Regelwerk verdrießt durchaus manchen Manager. Um ausreichend Vorsorge zu treffen, müssen Banken in der Eurozone eine Kapitallücke von 300 bis 400 Milliarden Euro schließen, schätzen Analysten der Berenberg Bank. Allzu gierige Eigenkapitalrenditen von 20 Prozent und mehr – 100 Euro Eigenkapital sollten mindestens 20 Euro jährliche Rendite abwerfen – dürften damit der Vergangenheit angehören.

„Die EU-Regeln gehen in die richtige Richtung“, lobt Finanzwissenschaftler Friedrich Thießen von der TU Chemnitz. „Aber man hätte sich auch striktere Regeln vorstellen können.“ Die Regulierung sei „ein vorsichtiges, ängstliches Herantasten“ an den Punkt, bei dem im internationalen Bankengefüge vieles beim Alten bleibt und die Banken nicht in Regulierungsoasen flüchten. „Basel III“ sollte daher durch Regeln an anderer Stelle vervollständigt werden, fordert Professor Rudolf Hickel: „Dazu gehören verschärfte Auflagen bis hin zu Verboten von Spekulationsinstrumenten.“

2009 hatten sich die Staats- und Regierungschefs der G 20 auf neue Regeln für den Finanzsektor geeinigt. Mit dem G-20-Beschluss stehen eigentlich alle großen Wirtschaftsmächte im Wort, doch bleibt das Basel-Bild weiterhin uneinheitlich. Daher rief die federführende Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel – wohl ein Novum – kürzlich die Staaten zur Ordnung: Gleiche Regeln müssten für alle Banken gelten. Bislang haben nur 11 von 27 Mitgliedsländern des BIZ-Ausschusses endgültige Basel-III-Regelungen auf den Weg gebracht. Und in fast der Hälfte von 70 Nichtmitgliedsländern ist eine Umsetzung von „Basel III“ gar nicht im Gange – darunter auch Finanzoasen wie Bahamas, Cayman Islands oder Liechtenstein.

Experten fürchten eine Flucht von riskanten Bankgeschäften in Regulierungsoasen – selbst in Europa. Zwar hat die EU im April ihre Regelungslücke geschlossen, aber bis etwa Großbritannien und Luxemburg nachziehen, dürfte es dauern. Hinterherhinken vor allem die USA. Der weltgrößte Finanzmarkt hatte bereits das Vorgängerregelwerk „Basel II“ boykottiert.

Ganz einsam ist die EU aber nicht: In Russland ist „Basel III“ in Vorbereitung, Japan und China haben das neue Regelwerk bereits eingeführt.