: Radikal ans Werk gehen
FREE JAZZ Für sein Festival „A l’Arme!“ will Louis Rastig drei Tage lang nur die „Besten der Besten ihres Fachs“ im Radialsystem versammeln. Da trifft der Free-Jazzer Peter Brötzmann auf Sonic-Youth-Gitarrist Thurston Moore
■ Donnerstag, 8. August: Anthony Braxton Falling River Music Quintet (19.30 Uhr); Wolfgang Heisig plays „Studies For Player Piano“ by Conlon Nancarrow (21 Uhr und 21.45 Uhr); Steamboat Switzerland (22.45 Uhr)
■ Freitag, 9. August: Peter Brötzmann UK Trio (19.30 Uhr); Mats Gustafsson, Thurston Moore (22.45 Uhr)
■ Samstag, 10. August: Johannes Bauer – Peter Evans – Louis Rastig – Palle Nilssen-Love; Ignaz Schick Electroacoustic Ensemble (21.45 Uhr und 22.30 Uhr); Michiyo Yagi – Akira Sakata – Tamaya Honda (23.30 Uhr)
VON TIM CASPAR BOEHME
Das Festival „A l’Arme!“ im Radialsystem V versammelt an drei Tagen ein energisch gebündeltes Programm mit alten und jungen Größen des Free Jazz. Zugleich wurde eine Reihe von Musikern eingeladen, die man mit Jazz so direkt nicht in Verbindung bringen würde. „Hier wird bewusst genreübergreifend gearbeitet, um am Ende womöglich ein neues großes Ganzes erahnen zu lassen. Es geht um das Gesamterlebnis, das sich in der Musik selbst widerspiegelt, die sehr physisch ist“, sagt Louis Rastig, der 26 Jahre alte Leiter von „A l’Arme!“
Der in Berlin geborene Pianist möchte mit dem militant klingenden Titel „ein Zeichen setzen, ein Signal geben“, allerdings nicht als „Alarm“ gegen etwas, sondern im Sinne von „Zu den Gewehren – für die Musik!“ Und die soll möglichst viele ansprechen: „Es geht nicht um ein Festival von Musikern für Musiker, das ist für mich der schlimmste Albtraum“, sagt Louis Rastig. Er wünscht sich vielmehr ein „Festivalkonzept, das auch Bestand hat. Letztes Jahr konnten wir einen sehr erfolgreichen Start genießen mit einem ausverkauften Haus“.
Die bewusst eklektische Besetzung mag mit zum Erfolg von „A l’Arme!“ beitragen helfen. In diesem Jahr etwa wurden neben den schon im vergangenen Jahr vertretenen Free-Jazz-Institutionen Peter Brötzmann oder Mats Gustafsson auch der Sonic-Youth-Gitarrist Thurston Moore oder der Einstürzende-Neubauten-Veteran FM Einheit ins Programm genommen. Für Rastig ist diese durchmischte Herangehensweise gerade das Spannende: „Das stellt das vermeintlich Elitäre dieser Musik selbst infrage. Eben weil ich die verschiedenen Genres, die verschiedenen Stile, die verschiedenen Backgrounds der Akteure in eine Verbindung bringe.“
Eine völlig neue Idee ist das nicht. So verfolgt das Moers Festival, die altgediente Institution für freie Musik in Deutschland schlechthin, einen ähnlich offenen Ansatz. Rastig räumt ein, dass das Moers Festival eine „Inspirationsquelle“ gewesen sei. „Ich habe alle Achtung vor so einem Festival mit einer langjährigen Geschichte. Dennoch“, beharrt er, „steht das ‚A l’Arme!‘-Festival für sich.“
LOUIS RASTIG, LEITER VON „A L’ARME“
Das trifft, was die finanzielle Ausstattung der Veranstaltung angeht, die freie Szene Berlins muss im Allgemeinen mit geringer Unterstützung zurechtkommen, allemal zu: Rastig erhält in diesem Jahr Förderung durch den Hauptstadtkulturfonds, daher konnten auch internationale Avantgarde-Stars wie der US-Amerikaner Anthony Braxton oder die japanische Koto-Spielerin Michiyo Yagi eingeladen werden. Wäre Rastigs Budget für 2012 höher gewesen, hätte er Michiyo Yagi damals ebenfalls auftreten lassen. Kontinuität ist ihm durchaus wichtig: „Tatsächlich sind das jene Akteure, die wesentlich die Konzeption des ‚A l’Arme!‘-Festivals zu dem machen, wie sie eigentlich gewünscht ist. Ich schrecke daher nicht nur nicht davor zurück, bestimmte Gesichter wieder dabeizuhaben, ich wünsche das sogar so.“
Bescheiden tritt der Musiker nicht auf. „Was ich hier zusammentrommle aus ganz Europa, von den Vereinigten Staaten bis hin nach Japan, sind tatsächlich die Besten der Besten ihres Fachs, und diesen Anspruch nehme ich mir auch raus, relativ radikal ans Werk zu gehen und ein handverlesenes Programm zu präsentieren“, sagt Rastig. Die Qualität der Musiker spricht für sich, zudem sind eine Reihe jüngerer experimenteller Musiker vertreten. Neben Rastig selbst spielt unter anderem der Turntablist Ignaz Schick mit seinem Electroacoustic Ensemble. Das Falling River Music Quintet, mit dem der 68-jährige Anthony Braxton auftritt, besteht aus jungen Größen wie der Gitarristin Mary Halvorson oder der Saxofonistin Ingrid Laubrock, für Rastig „eine der besten Saxofonistinnen, die es derzeit gibt“.
Dass Rastig in seinem Alter schon derart umfassend vernetzt ist, um ein so ambitioniertes Projekt zu verwirklichen, überrascht. Ein bisschen geholfen haben mag, dass sein Vater der Posaunist Conny Bauer ist, auch er spielt dieser Tage im Radialsystem V auf. Gute Beziehungen zum Haus, das Koproduzent ist, hatte Rastig schon vorher: „Seit 2007 arbeite ich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen als Pianist am Radialsystem.“ Irgendwann sei aus einer inneren Notwendigkeit der Wunsch entstanden, auch mal hinter den Kulissen zu arbeiten und eine Konzeption vorzubereiten, sagt er. Das ist ihm mit „A l’Arme!“ geglückt.