: Druck von alternden Männern
Frauen erobern die Demographie-Debatte zurück. Die Journalistin Ulrike Baureithel über die Pflicht zum Kinderkriegen, die Seniorin der Zukunft und Lebensmodelle jenseits des Altersheims
Bremen taz ■ taz: Warum soll man den demographischen Wandel aus Frauensicht beleuchten?
Ulrike Baureithel: Die Demographie-Debatte wird von Männern dominiert. Alternde Männer melden sich anscheinend zu Wort, weil sie Angst haben, im Alter nicht versorgt zu werden. Zudem ist die Debatte xenophob unterlegt: Es sollen deutsche Kinder von deutschen Eltern geboren werden.
Was erwartet die Seniorinnen der Zukunft?
Der Vorteil ist: Wir werden viele sein. Es ist zu befürchten, dass Altersarmut wieder weiblich sein wird. Viele Rentnerinnen leben von Hinterbliebenenrenten. Ob es die in Zukunft geben wird, ist ungewiss. Auf der anderen Seite sind Frauen heute besser ausgebildet und machen qualifiziertere Arbeit, das wirkt sich auf die Renten aus.
Auf der einen Seite die Familienfrau, die vor dem Nichts steht, wenn sie ihren Mann bis zum Tod gepflegt hat, auf der anderen die Karrierefrau mit üppiger Rente?
Je nach sozialer Schicht werden Familienfrauen vergleichsweise gut dastehen. Viele Frauen werden keine Kinder und trotzdem keine Ressourcen haben.
Also wird alles schlimmer?
Nein, in die Klagen von Herrn Schirrmacher würde ich überhaupt nicht einstimmen. Die demographische Schieflage hat auch positive Aspekte. Wir werden gezwungen sein, uns umeinander zu kümmern. Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt wird es immer weniger geben. Hochqualifizierte ArbeitnehmerInnen werden die Verschiebung des Renteneinstiegsalters auch so erleben, dass sie länger arbeiten „dürfen“. Außerdem werden Kinder heute ganz anders geschätzt als zu der Zeit, als Familien mit mehreren Kindern die Norm waren.
Doch das Problem leerer Rentenkassen und unbezahlbarer Pflege bleibt bestehen...
Ich wüsste nichts, was uns davon erlöst. Gerade für die Babyboomer-Generation gilt: Wir müssen neue Lebensmodelle für das Alter finden – jenseits der institutionellen Pflege. Die Isolation überwinden, Netzwerke knüpfen, auch über die Generationen hinweg.
Glauben Sie, dass die Debatten Frauen zum Kinderkriegen motivieren werden?
Aufrufe nützen nichts. Nicht mal die Nazis mit ihrer Mutterideologie haben es geschafft, die Geburtenrate zu steigern. Die Debatte erhöht nur den Druck auf Frauen.
Wie sieht es mit staatlichen Anreizen wie dem Elterngeld aus?
Von staatlichen Transferleistungen halte ich nichts. Familien müssen je nach ihrer wirtschaftlichen Lage unterschiedlich gefördert werden. Sonst besteht die Gefahr, dass Frauen wieder aus dem Arbeitsmarkt herausgedrängt werden. Wichtiger ist ein gesamtgesellschaftliches Umfeld, das kinderfreundlich ist. Das betrifft etwa den Wohnungsmarkt, die Bildungssituation... Der Staat kann nicht alles lenken. Kinderkriegen bleibt eine individuelle Entscheidung.
Interview: Annedore Beelte